Big Bad City
marschierte, das nicht das seine war und das er irgendwie verabscheute. Als er die Tür am Ende des Flurs erreicht hatte, war er leicht verärgert, wenngleich er niemandem, am wenigsten sich selbst, den Grund dafür hätte erklären können.
Er nahm den Türknopf in die Hand und drehte ihn sanft.
Er schob die Tür auf.
Eine Frau lag nackt und auf dem Rücken auf dem Bett, Arme und Beine weit gespreizt. Ein Mann lag, genauso nackt wie sie, zwischen ihren Beinen.
Cookie Boys Herz machte einen Satz und blieb in seiner Kehle stecken.
Er stand unbemerkt auf der Schwelle, wagte sich nicht zu rühren, ja nicht einmal zu atmen.
Er wich gerade leise zurück, als das Pärchen sich entschloß, die Stellung zu wechseln. Der Mann wälzte sich von ihr herunter und drehte sich dabei um. Die Frau setzte sich auf. Beide sahen Cookie Boy gleichzeitig. Die Frau war die Blondine, die auf den meisten Fotos an den Flurwänden zu sehen war. Sie war Ende Vierzig, wie Cookie Boy schätzte, hatte ein rundes Gesicht und vor Überraschung weit aufgerissene Augen. Der Mann hingegen war nicht der, der auf den Fotos da draußen zu sehen war, der lächelnde, dunkeläugige, schnurrbärtige Kerl, der so offensichtlich ihr Ehemann war. Eigentlich war der Bursche, der sich mit ihr nackt im Bett tummelte, noch gar kein Mann. Es war ein Junge von sechzehn oder siebzehn Jahren mit flammrotem Haar, Sommersprossen im Gesicht und Augen, die genauso blau und überrascht wie die der Frau waren.
Cookie Boy war mitten in eine nachmittägliche Vergnügung mit dem Lieferjungen gestolpert. Mitten in einen burlesken, parodistischen Sketch, der ihm schreiend komisch vorgekommen wäre, wäre er nicht in die Wohnung eingehrochen.
»Oh mein Gott!« schrie die Frau, was nicht ganz angemessen war, da sie Cookie Boy noch nie zuvor gesehen hatte, wie er da mit einem Koffer in der rechten Hand in ihrem Schlafzimmer stand, als hätte er gerade sein Hotelzimmer betreten, während sie mit einem schwitzenden Jungen namens Jerry im Bett lag, dessen Nachnamen sie nicht mal kannte, während ihr Göttergatte in der Innenstadt in der Kanzlei von Hamlin, Gerstein und Konstantine schuftete, an deren Vornamen sie sich auch manchmal nicht erinnern konnte, wie zum Beispiel in diesem Augenblick.
»Nur keine Panik«, sagte Cookie Boy. »Ich bin schon wieder weg.«
Aber der Junge hatte anderes im Sinn.
Cookie Boy konnte sich später nicht mehr genau an den Ablauf der Ereignisse erinnern. Er vermutete, daß der Auslöser etwas mit dem hohen Testosteronspiegel bei männlichen Teenagern zu tun hatte, vor allem, wenn sie erregt waren. Jedenfalls sprang der Junge vom Bett auf, als wäre er Spider-Man persönlich, und warf sich auf Cookie Boys Rücken, gerade als der herumwirbelte, um abzuhauen.
»Jerry, laß ihn los!« rief die Blondine.
»Rufen Sie die Cops, Mrs. Cooper!« rief der Junge. Aber Mrs. Cooper hatte nicht vor, die Cops zu rufen, weil sie um halb vier am Nachmittag mit dem kleinen Jerry hier nackt im Bett lag. Verdammt noch mal, was sollte sie da mit den Cops anfangen? Da konnte sie doch gleich Eintrittskarten verkaufen! »Rufen Sie die Cops!« rief er erneut und klammerte sich an Cookie Boy fest, der sich nun gezwungen sah, dem Jungen einen Ellbogen in den Magen zu rammen. Ihm war nicht im geringsten an irgendeiner körperlichen Auseinandersetzung gelegen, doch Jerry ergriff seine Schulter, wirbelte ihn herum und hob die Fäuste in der klassischen Pose des Straßenkämpfers. Es störte ihn anscheinend nicht, daß er nackt war, Sommersprossen und noch immer eine mächtige Erektion hatte, von der man eigentlich annehmen sollte, daß sie mittlerweile verschwunden wäre, doch vielleicht erregte es ihn ja auch, sich zu prügeln.
Die Blondine hatte noch nicht geschrien. Cookie Boy hoffte weiterhin, sie würde es nicht tun. Er wollte jetzt nur noch aus dieser Wohnung und zur Haustür hinaus und die paar Treppenstufen zur Straße hinab. Aber der Junge schwang weiterhin die Fäuste, als wolle er beweisen, daß er Mrs. Coopers wahrer Held und Beschützer war, schlug immer wieder auf Cookie Boys Gesicht ein, tat ihm jetzt richtig weh, schlug auf seine Augen und die Nase ein, und die Nase blutete sofort, es flossen wahre Ströme von Blut, und sie ließen Cookie Boy schließlich buchstäblich rot sehen. Auch die Frau sah all das Blut - und geriet in Panik. Sie schrie noch immer nicht, geriet aber in Panik. Das war der gefährlichste Augenblick - als die Frau in Panik geriet. Aber
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