Big Bad City
»Das wäre der Freitag in der Woche, bevor Mary Vincent ermordet wurde.«
»Ihrem Kalender zufolge waren Sie an diesem Abend um sieben mit ihr verabredet«, sagte Carella. »Sie haben sich in ihrer Wohnung getroffen, nicht wahr?«
»Ja«, sagte Jenna. »Wir haben ein Glas getrunken.«
»Danach sind wir essen gegangen«, sagte Rene.
»Wieviel hat sie getrunken?« fragte Brown.
Es konnte auch nicht schaden, dieselbe Frage dreimal zu stellen.
»Sie hat ein Glas Wein getrunken.«
»Sie waren um sieben Uhr dort, nicht wahr?«
»Ich war um sieben da. Jenna kam etwas später. Wir sind nicht zusammen hingefahren.«
»Wo haben Sie gegessen, nachdem Sie ein Glas getrunken haben?«
»Bei einem Chinesen in der Nähe.«
»Wissen Sie noch, wie das Restaurant heißt?«
»Ah Fong«, sagte Jenna.
»Ah Wong«, sagte Rene.
»Wer hat die Rechnung bezahlt?«
»Wir haben sie geteilt.«
»Jeder hat für sich selbst bezahlt.«
»War das Marys Vorschlag?«
»Nein, das haben wir immer so gemacht. Immer, wenn wir essen gingen.«
»Wie oft war das?«
»Alle vierzehn Tage«, sagte Jenna.
»Einmal im Monat«, sagte Rene.
»Hat Mary mal über Geld gesprochen?«
»Über Geld?«
»Über die Rechnung? Daß sie es sich nicht leisten konnte, essen zu gehen? So etwas in der Art?«
»Nein, warum sollte sie?«
»Es lief jedesmal so auf neun Dollar pro Nase hinaus. Einschließlich Trinkgeld. Warum sollte ihr das zu teuer gewesen sein?«
»Na, sie war doch knapp bei Kasse, oder?«
»Woher soll ich das wissen?«
»Hat sie nie darüber gesprochen, daß sie Probleme hatte, mit ihrem Geld auszukommen?«
»Nein. Warum sollte sie? Sie hat doch gut verdient.«
»Wissen Sie zufällig, wieviel sie verdient hat?«
»Zweiundzwanzig Dollar die Stunde, genau wie wir. Glaube ich. Nein, warten Sie mal, vielleicht auch weniger. Rene und ich sind examinierte Schwestern. Mary war eine KPH.«
»Sie bekam wahrscheinlich fünfzehn, sechzehn Dollar die Stunde«, sagte Rene. »Aber was für eine Rolle spielt das?«
»Wir wissen, daß sie finanzielle Sorgen hatte.«
»Was hat das damit zu tun, wieviel wir verdienen? Wieviel verdienen Sie denn?«
»Hat sie mal Drohbriefe oder Anrufe erwähnt?«
»Nein.«
»Wissen Sie, ob sie jemandem Geld schuldete?«
»Ja«, sagte Jenna. »Mir hat sie einen Dollar fünfundsiebzig Busgeld geschuldet. Ihre Zehnerkarte war abgelaufen, da hab ich sie auf meiner mitgenommen.«
Später erzählte Rene ihrer Mutter, der Schvartzeh hätte sie wie eine gemeine Verbrecherin in die Mangel genommen.
»Soweit ist es mit uns gekommen«, sagte ihre Mutter.
Jenna fragte ihren Freund, der Rechtsanwalt war, ob sie Carella verklagen könne, weil er sie wie eine gewöhnliche Nutte behandelt hatte.
»Wie hast du gesessen?« fragte ihr Freund.
6
Cookie Boy hatte es nicht auf den großen Treffer abgesehen. Den wollte er lieber den Amateuren überlassen. Klar, allen in dieser Branche ging es ums Geld, aber Amateure waren auch scharf auf den Glanz und den Thrill, den gottverdammten Ruhm. Amateure hielten sich für Filmstars. Vorbei an dem Sicherheitspersonal in einem luxuriösen Hochhaus mit Blick auf den Park, das Türschloß knacken, den Wandsafe hinter dem gerahmten Rembrandt öffnen, mit einem Vermögen auf und davon. Vielen Dank, vielen Dank, es ist mir eine große Ehre. Ich möchte auch meiner Mutter danken, meinem Schauspiellehrer und meinem Teddybär. Amateure.
Die USA waren eine Nation der glücklichen Amateure.
Cookie Boy dachte nicht einmal an das große Los. Wenn Cookie Boy sah, wie eine Lady in einem Zobelmantel, der ihr den Staub von den Schuhen wischte, aus einem luxuriösen Wohnhaus kam, der Portier nach einem Taxi für sie pfiff, ihr den Regenschirm hielt und ihr in das Taxi half, ging er einfach vorbei. Klar, falls es einem gelang, in ihre Bude reinzukommen, würde man noch ein paar Pelzmäntel finden, jede Menge Schmuck, unbezahlbare Kunstwerke, was auch immer. Aber man durfte nicht vergessen, man mußte damit auch wieder rauskommen. Selbst wenn man einmal am Sicherheitspersonal vorbeikam, mußte man auch noch ein zweites Mal an ihm vorbei, auf dem Weg hinaus. Und man mußte nicht nur wieder raus, man mußte auch mit einem Riesensack voller Diebesgut wieder raus, erklären Sie das mal den Mitgliedern der Film-Academy, vielen Dank euch allen, ich liebe euch ganz fürchterlich, das ist eine so große Ehre.
Cookie Boy hatte schon ganz am Anfang seiner
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