Big Sky Country - Das weite Land (German Edition)
in den Ofen, stellte den Timer und machte sich schweigend wieder ans Auspacken der Einkaufstüten.
„Slade glaubt vielleicht, dass du noch an Hutch Carmody interessiert bist“, fuhr Kendra fort. „Und du hast sicher nicht vergessen, dass die beiden Probleme miteinander haben.“
Joslyn, die gerade mit einer Hand in einer Tüte voller Brötchen für Hotdogs und Hamburger gegriffen hatte, hielt abrupt inne. Sie wusste, dass Slade und Hutch Halbbrüder waren. Alle wussten das. Und sie erinnerte sich, dass die beiden als Jugendliche oft aneinandergeraten waren. Aber mittlerweile waren sie zwei erwachsene Männer und über Kinderkram dieser Art doch bestimmt längst hinweg.
„Ein für alle Mal, Kendra“, sagte sie ruhig. „Es ist mir egal , was Slade Barlow denkt.“
Das glaubst du doch selber nicht, spottete die lästige Stimme in ihrem Kopf.
„Das nehme ich dir nicht ab.“ Kendra trat zu Joslyn an die lange Küchentheke, auf der immer noch eine randvolle Einkaufstüte neben der anderen stand.
„Außerdem“, fuhr Joslyn fort und raschelte wieder geschäftig mit den Tüten, „waren Hutch und ich auf der Highschool zusammen. Also vor ungefähr hundert Jahren. Er ist für mich immer noch ein guter Freund, aber das, was uns als Teenager zueinander hingezogen hat, ist längst nicht mehr da.“
Kendra wirkte sichtlich erleichtert, obwohl sie es sich nicht anmerken lassen wollte. Vielleicht war es ihr bei diesem ganzen Gespräch auch nur darum gegangen herauszufinden, ob Joslyn noch Gefühle für Hutch hatte.
Der Gedanke, dass es so sein könnte, heiterte Joslyn ein wenig auf. Okay, Kendra behauptete, sie würde nicht mehr an die Liebe glauben. Allerdings kam Joslyn diese Einstellung so vor, als würde jemand nicht glauben, dass es die Schwerkraft oder Mondphasen gab. Manche Dinge gab es einfach – egal, ob man nun daran glaubte oder nicht.
„Mir ist klar, dass du dich zu Hutch hingezogen fühlst“, sagte sie sanft zu Kendra. „Ihr seid beide erwachsen, offenbar beide ungebunden … Warum also nicht?“
Kendra biss sich auf die Unterlippe und wich Joslyns Blick aus. „Wir sind zu verschieden, Hutch und ich.“
Joslyn zog lediglich beide Augenbrauen hoch und wartete.
Auf Kendras Wangen bildeten sich kleine rote Flecken. „Ich gebe zu, dass es zwischen uns ein gewisses, nun ja, ein gewisses Knistern gibt.“
„Ach was?“, neckte Joslyn sie.
Kendra seufzte. „Aber wir haben über dich und Slade geredet, bevor du geschickt das Thema in eine andere Richtung gelenkt hast.“
„Es gibt kein ‚Slade und mich‘“, widersprach Joslyn. „Ja, er ist sexy. Ja, ich habe daran gedacht, wie es wohl wäre, mit ihm ins Bett zu gehen. Aber ich bin glücklicherweise wieder zur Vernunft gekommen. Er hat eine Art Komplex, Kendra. Für ihn bin ich nämlich immer noch das verwöhnte reiche Mädchen, das in einem Cabrio durch die Stadt fährt und auf alle anderen herabblickt.“
„Hat er das wirklich so gesagt?“, fragte Kendra, nachdem sietief Luft geholt hatte. Offensichtlich hatte sie zwischendurch das Atmen vergessen.
„Ganz unmissverständlich, ja.“ „Oh.“ Kendra klang ernüchtert.
Joslyn tätschelte ihr den Arm. „Komm, räumen wir die Lebensmittel weg.“
Sie arbeiteten gut zusammen. Schnell, effizient und ohne ein weiteres Wort über Slade Barlow oder Hutch Carmody zu verlieren.
„Ich bin dir wirklich dankbar für deine Hilfe, Joss“, meinte Kendra, als der letzte Laib Brot auf der Anrichte auskühlte und sie alle Tüten ausgeräumt, zusammengefaltet und in die Papiertonne gesteckt hatten. „Bleibst du zum Abendessen?“
Joslyn schüttelte den Kopf und lächelte. „Nein danke. Vielleicht esse ich später eine Schüssel Müsli oder ein Sandwich, doch momentan habe ich genug vom Essen. Alles, was ich jetzt möchte, ist ein Schaumbad und ein gutes Buch.“
Kendra lächelte ebenfalls und nickte. „Klingt gut.“
Nachdem sie einander leise Gute Nacht gewünscht hatten, ging Joslyn durch die Hintertür nach draußen auf die verglaste Veranda, die lange Zeit der Lieblingsplatz ihrer Mutter gewesen war. Mit einem Mal wurde ihr bewusst, wie sehr sie ihre Mutter und auch Opal immer noch vermisste. Gleichzeitig hatte sie plötzlich das höchst seltsame Gefühl, zwei voneinander völlig verschiedene Leben geführt zu haben – das der jungen, egozentrischen Joslyn und das der Frau, die sie heute war.
Mittlerweile war es später Nachmittag, und als Joslyn durch den Garten zur Hintertür des
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