Big Sky Country - Das weite Land (German Edition)
dritte.
Die ersten Mails waren noch im Plauderton gehalten. „ Wie war die Reise? Wie ist es nach so langer Zeit wieder in Parable? Grüß Kendra lieb von mir; sie war immer so ein nettes Mädchen.“
Danach wurde der Ton der Nachrichten zusehends besorgter.
„Es geht dir doch gut, oder?“
Dann: „Joslyn Lee, was ist los?“
Und zu guter Letzt: „Verdammt, Joslyn, beantworte deine Mails!“
Joslyn lächelte, während sie ihre Antwortmail tippte. „Tut mir leid, dass du dir Sorgen gemacht hast, Mom“ , schrieb sie und versuchte dabei, einen möglichst beruhigenden, munteren Ton anzuschlagen. „ Es geht mir gut. Ich bin noch dabei, mich hier einzugewöhnen. Bis jetzt hat mich noch niemand beschimpft, aber ich bin mir sicher, dass die ganze Stadt schon weiß, dass Elliott Rossiters Stieftochter wieder da ist.“
Sie erzählte Dana noch von Kendra, erwähnte auch die morgige große Grillparty und schloss ihren Bericht damit, wie Lucy-Maude auf ihrer Türschwelle aufgetaucht war.
Die ganze Zeit war sich Joslyn absolut im Klaren darüber, was sie in ihrer E-Mail wegließ und was nicht.
Sie erzählte zum Beispiel nicht, wie schlimm sie es fand, dass Kendra nicht mehr an die Liebe glaubte. Kendra war eine tolle Frau und Freundin, und sie würde einmal eine wunderbare Ehefrau und Mutter sein.
Sie schrieb nicht, dass ihr regelrecht vor den möglichen Reaktionen der Leute graute, die morgen zum Barbecue kommen würden. Sie erwähnte auch nicht, wie viel Überwindung es sie kostete, hinzugehen.
Und schon gar nicht erzählte sie von den seltsamen Gefühlen, die Slade Barlow in ihr auslöste; wie sehr sie sich nach ihm sehnte, wie kribbelig er sie machte und wie sie überhaupt nicht mehr sie selbst war, das nüchtern denkende, von der linken Hirnhälfte gesteuerte Computergenie.
Dana war zwar nicht der überfürsorgliche Muttertyp, vor allem jetzt nicht, da Joslyn erwachsen war. Doch das bedeutete nicht, dass sie sich keine Sorgen machte.
Die E-Mail war ziemlich ausführlich geworden, als Joslyn sie schließlich mit einem „ Hab dich lieb! “ beendete und auf „Senden“ klickte.
Da Joslyn seit ihrer Ankunft in Parable nie in ihren E-Mail-Account geschaut hatte, war ihr Postfach zum Bersten voll.
Sie löschte alle Spam-Mails und schickte einigen Freunden in Phoenix kurze, munter klingende E-Mails, in denen sie versicherte, dass es ihr „ gut, richtig gut “ ginge. Danach beantwortete sie noch ein paar technische Fragen, die ihr die Software-Leute jenes Unternehmens geschickt hatten, an das sie ihre Firma verkauft hatte.
Und dann loggte sie sich aus.
Es war Zeit für eine Schüssel Müsli und ein gutes Buch.
Slade rief Layne an diesem Abend an und berichtete, dass er ein Haus gemietet hätte und er und Shea demnächst nach Missoula fahren könnten, um Möbel auszusuchen.
Layne wirkte etwas abwesend – im Gegensatz zu ihm hatte sie ein Leben – und erklärte, dass sie und Shea irgendwann am Sonntagnachmittag ankommen würden. Sie würde anrufen, sobald sie im „Best Western“-Hotel eintrafen.
Slade fragte, ob er mit Shea sprechen könnte, doch Layne sagte, dass sie mit ihren Freunden im Shopping Center war, wo sie sich Jeans, Stiefel und ärmellose Blusen für Parable kaufen wollte.
Slade musste bei dieser Vorstellung lächeln. Er verabschiedete sich, legte auf und schenkte nun Jasper seine Aufmerksamkeit, der mitten in der Küche saß und geduldig auf sein Futter wartete.
Slade fütterte ihn, machte sich ein Bier auf und ging auf seine lächerlich kleine Veranda. An dem Ranchhaus war einiges zu reparieren, und er und Shea würden beide auf Luftmatratzen schlafen und ihre Mahlzeiten an einem Klapptisch einnehmen müssen. Aber es war trotzdem um Längen besser als hier.
Sowie Jasper mit seinem Abendessen fertig war, folgte er Slade auf die Veranda und setzte sich neben den Gartenstuhl.Es war ein angenehmes, friedliches Gefühl, den Hund neben sich zu haben.
Slade kraulte ihn liebevoll hinter den Ohren und dachte an die Frau auf der anderen Seite der Gartenmauer, die in Kendra Shepherds Gästehaus wohnte.
Joslyn ist nicht dein Typ, Cowboy, sagte er sich. Sie ist ein anspruchsvoller Stadtmensch, und du bist ein waschechtes Landei. Sie ist– ob sie es zugibt oder nicht– aus einem bestimmten Grund nach Parable zurückgekehrt. Und wenn sie das, weswegen sie hier ist, erledigt hat, wird sie der Stadt wieder schleunigst den Rücken kehren. Für immer.
Seine Gedanken wanderten zu den Tagen und
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