Big Sky Country - Das weite Land (German Edition)
Gästehauses eilte, ließen die Blumen bereits ihre Köpfchen hängen.
Ein paar Meter vor der Tür blieb sie überrascht stehen. Auf der Fußmatte saß eine kräftige graue Katze, die sich gerade eine Vorderpfote putzte. Das Tier hatte einen buschigen Schwanz, der wie eine Boa hin- und herzuckte, und faszinierende bernsteinfarbene Augen.
Die Katze blickte Joslyn gelassen an – so, als wollte sie sagen: „Da bist du ja endlich. Wurde aber auch Zeit, dass du kommst.“
Erst Jasper, und jetzt diese Katze. Was bin ich? dachte Joslyn. Eine Art Magnet für herumstreunende Vierbeiner?
Im Gegensatz zu Jasper hatte die Katze kein Halsband. Sie sah allerdings sauber und wohlgenährt aus, was bedeutete, dass sie bestimmt jemandem gehörte.
Die Katze gab ein geselliges „Miau“ von sich.
„Ab nach Hause“, befahl Joslyn bestimmt, aber nicht unfreundlich. „Irgendjemand sucht dich wahrscheinlich schon.“
Die Katze rührte sich nicht vom Fleck, sondern spitzte lediglich die Ohren und legte den Kopf schief.
„Na gut“, sagte Joslyn resigniert. „Du kannst genauso gut bleiben, bis ich herausgefunden habe, wer dein Besitzer ist. Ich habe zwar kein Katzenfutter vorrätig – aber wie wäre es mit etwas fettfreier Kaffeesahne?“
Sie marschierte an dem Tier vorbei, öffnete die Tür und trat in ihre winzige Küche.
Die Katze folgte ihr, wobei ihr Schwanz elegant vor- und zurückwippte wie ein wandelndes Fragezeichen.
Joslyn war, wie sie Kendra vorhin mitgeteilt hatte, nicht hungrig. Sie nahm allerdings an, dass die Katze es sein könnte. Also füllte sie Kaffeesahne in eine Untertasse, riss ein Stück Brot in kleine Stücke und stellte alles auf den Boden.
Der neue Gast begann sofort zu fressen.
Joslyn gab Wasser in eine Müslischüssel und stellte sie ebenfalls auf den Boden.
Dann ging sie ins Bad, ließ lauwarmes Wasser in die altmodische Wanne und zog sich aus.
Sie lag gerade entspannt im Wasser und genoss es, wie der Schaum an ihrem Kinn kitzelte, da schlenderte die Katze herein. Das Tier sprang graziös auf den heruntergeklappten Deckel der Toilette und sah Joslyn erwartungsvoll an.
„Ich werde mich erst gar nicht an dich gewöhnen“, sagte Joslyn. „Entweder deine Besitzer tauchen auf, oder du beschließt wie Jasper, dass du lieber bei Slade Barlow bleiben möchtest.“
„Rrrrr“, antwortete die Katze.
„Außerdem“, fuhr Joslyn fort, wobei sie sich wegen ihrer Unterhaltungmit einem Vierbeiner nur ein ganz klein wenig albern vorkam, „kann ich dich nicht immer nur ‚Die Katze‘ nennen. Du brauchst also einen Namen. Nur vorübergehend natürlich.“
Der neue Hausgast machte wieder diese Boa-Sache mit dem Schwanz, und aus ihrer aktuellen Perspektive konnte Joslyn erkennen, dass es sich um ein weibliches – und ausgehend von der Dicke des Bauches offenbar auch trächtiges – Tier handelte.
Na großartig, dachte Joslyn resigniert.
„Für mich siehst du wie eine Lucy-Maude aus“, sagte sie laut. „Der Name hat mir schon immer gefallen.“
Lucy-Maude betrachtete sie ungerührt. Sie nahm eine kokette Pose ein und wirkte dabei wie die personifizierte Anmut.
Nach ihrem Bad schlüpfte Joslyn in einen Leinenkaftan, lief ins Wohnzimmer und schaltete ihren Laptop ein.
Lucy-Maude kam mit und bezog einen neuen Posten – diesmal auf der Armlehne des großen Sessels mit dem bereits etwas zerschlissenen geblümten Schonbezug.
Der Laptop war mittlerweile hochgefahren. Joslyn unterdrückte ein Seufzen, setzte sich hin und loggte sich ein. In ihrem Postfach wartete ein halbes Dutzend E-Mails von ihrer Mutter.
Dana Kirk hatte nach der Scheidung von Elliott wieder den Namen von Joslyns Vater angenommen und sich nach ihrer dritten Eheschließung nicht mehr darum gekümmert, ihn erneut zu ändern. Normalerweise pflegte sie ein gesund-distanziertes Verhältnis zu den eher alltäglichen Kleinigkeiten aus dem Leben ihrer Tochter. Einmal im Monat telefonierten sie miteinander und schickten sich dazwischen relativ häufig E-Mails, doch keine von beiden hatte den Drang, sich ständig der Zuneigung der anderen vergewissern zu müssen.
Dana war immer eine liebevolle, aufmerksame Mutter gewesen und hatte sich während und nach dem Elliott-Debakel als wahrer Fels in der Brandung erwiesen. Joslyn hatte immer gewusst, dass sie sich auf ihre Mom verlassen konnte.
Ein wenig schuldbewusst, weil sie ihre E-Mails nicht schon früher gecheckt hatte, öffnete Joslyn die erste Nachricht. Dann die zweite und die
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