Big Sky Country - Das weite Land (German Edition)
zurückgekommen?“, fuhr Cookie Jean aufgeregt fort. „Du bist hier nicht willkommen, Joslyn. Du weckst nur Erinnerungen an schlimme Zeiten, sonst nichts.“
Joslyn ließ es bleiben zu fragen, ob Cookie Jean oder einer ihrer Verwandten vor Kurzem mit der Post einen großen Scheckbekommen hatten. Sie konnte mit Geld nicht wiederherstellen, was Elliott ohne mit der Wimper zu zucken zerstört hatte: das Vertrauen und die Lebensgrundlage jener Leute, die ihn für einen Freund gehalten hatten. Joslyn war sich dessen nur allzu gut bewusst.
Wenn sie Parable als Mensch verlassen wollte, der mit sich im Reinen war, dann würde sie sich Begegnungen wie dieser mit Cookie Jean stellen müssen. Wahrscheinlich würden sich noch weit unangenehmere Konfrontationen ergeben. Joslyn wusste, dass sie besser den Mund halten und sich – bildlich gesprochen – aus dem Staub machen sollte, doch sie schaffte es nicht. Irgendjemand musste sich dem Unglück stellen, das ihr Stiefvater angerichtet hatte. Und da er tot war und ihre Mutter nicht das gleiche Bedürfnis hatte wie ihre Tochter, die Dinge wiedergutzumachen, fiel Joslyn nun mal diese Aufgabe zu.
Sie war wie Don Quijote, der gegen Windmühlen kämpfte.
„Aber was ist mit den schönen Zeiten, Cookie Jean?“, fragte sie. „Erinnerst du dich an die Partys am See? Die Lagerfeuer nach den Spielen der Highschool-Mannschaft – unabhängig davon, ob unser Team gewonnen hat oder nicht? Die Abschlussbälle und den Schuljahrmarkt? Wir beide haben gemeinsam an dem Stand mit dem Ringwurfspiel gearbeitet, weißt du noch? Und wir hatten viel Spaß.“
Cookie Jean hatte einen Moment lang feuchte Augen bekommen. Doch sie blinzelte die Tränen rasch weg. „Hör zu, Joslyn“, sagte sie schließlich müde. „Vielleicht sind ja einige Leute hier in Parable bereit, so zu tun, als wäre nichts passiert. Aber ich nicht. Onkel George hat seine Farm wegen deines Stiefvaters und all der schicken Sachen verloren, die er dir und deiner Mutter gekauft hat. Meine kleinen Brüder und ich haben bei ihm und Tante Sarah gewohnt und damals das einzige Zuhause verloren, das wir kannten. Sechs Monate, nachdem die Bank die Farm versteigert hat, ist Onkel George an einem Herzinfarkt gestorben, und Tante Sarah musste zu ihrer Schwester nach Boise ziehen. Ich habe gleich nach der Highschool geheiratet – übrigens den falschen Mann –, weil ich meinen Brüdern so etwas wieeine Familie bieten wollte. Mein jüngerer Bruder Toby steckt ständig in Schwierigkeiten, und Bill ist bei der Army, wo ihm weiß Gott was passieren kann. Hast du eine Ahnung, was sein Traum war, Joslyn? Bill wollte auf der Milchfarm mitarbeiten und sie später einmal übernehmen, wenn es Onkel George zu viel würde …“ Sie schaute weg.
Joslyn stand aufrecht und mit hoch erhobenem Kopf da, wie Kendra es ihr vorhin geraten hatte. Innerlich jedoch war sie zutiefst erschüttert. Sie hatte sich zwar bemüht, den Leuten das zurückzugeben, was ihnen seinerzeit genommen worden war, aber in vielen Fällen war der Schaden irreparabel.
Die Milchfarm der Tulversons gab es nicht mehr. Cookie Jean hatte, ebenso wie ihre Brüder Toby und Bill, einen hohen Preis gezahlt. Der Scheck, der wahrscheinlich an ihre Tante Sarah geschickt worden war, konnte den Verlust dieser Familie nicht einmal ansatzweise ausgleichen.
„Lass mich in Zukunft in Ruhe, okay?“, bat Cookie Jean schneidend. Dann stürmte sie durch das Gartentor. Joslyn sah sie in ein altes Auto einsteigen und hörte, wie sie den Wagen unsanft startete. Der Motor heulte auf und gab ein lautes, schleifendes Geräusch von sich. Als der Wagen losfuhr, stiegen Rauchschwaden aus dem Auspuff.
„Hast du mir den ersten Tanz reserviert, wie versprochen?“, vernahm Joslyn jemanden in leicht vorwurfsvollem Ton hinter sich.
Sie drehte sich um und entdeckte Hutch, der sie – erfreulicherweise – ohne eine Spur von Mitleid wissend anlächelte. Ebenso wie Kendra hatte er ihr nie die Schuld an Elliotts Betrügereien gegeben, und dafür liebte Joslyn ihn.
„Ja.“ Ihr lief eine einzelne Träne über die Wange.
Hutch kam zu ihr, legte einen Arm um sie und wischte ihr mit dem Daumen das Tränchen weg. „Ich schätze, Cookie Jean hat allen Grund, verbittert zu sein. Aber so darf sie dich trotzdem nicht behandeln.“
Joslyn presste die Lippen zusammen. Von Hutch Carmody im Arm gehalten zu werden fühlte sich an wie die Umarmungeines Bruders, den sie leider nie gehabt hatte. Es war ein schönes
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