Bilder Aus Dem Berliner Leben
Herrschaft mit ihr sei, bei der sie jetztdient, und wie gut die Aussichten ihres Unteroffiziers, in kurzem ein Schutzmann zu werden und so weiter. – Alles umständlich erwogen und oftmals wiederholt. Es ist ja Pfingsten heut, und in stillem, sonntäglichem Behagen sitzt es sich hier gut, so weit da draußen ...
Im Herzen von Berlin
(April bis August 1886)
Tief drin in Alt-Berlin ist eine kleine Straße, die Papenstraße, und in dieser Straße ein kleines Haus mit einer weißen Laterne, die mir beide sehr lieb sind, das Haus und die Straße. Die letztere erinnert mich auf eine angenehme Weise an die Pfaffen, welche vormals, in der katholischen Zeit und als man noch platt in Berlin sprach, hierselbst gewohnt und der ganzen Gegend sicherlich ein behäbiges Ansehen verliehen haben; als der Bischof von Lebus Hof hielt in der Bischofstraße, der von Brandenburg in der Klosterstraße, der Abt von Lehnin in der Heiligengeiststraße und der Bischof von Havelberg in ebendieser Papenstraße selbst. Diese Prälaten, obzwar sie nun lange schon in Gott ruhen und eine Nachfolge nicht gefunden, haben doch den Straßen, die noch immer nach ihnen heißen, und den benachbarten, die gleichsam im Bann und Frieden der Marienkirche liegen, etwas hinterlassen, was mitten im Geräusch und Gewühl und trotz der Veränderungen der Gegenwart die gesegneten Tage zurückruft, wo das Leben allhier gemächlich ging, wo man hinlänglich Muße hatte, dem Herrn zu dienen, sein Lob in Hora, Messe und Vesper zu verkünden und dazwischen ihm dankbar zu sein für alles Gute, was er der bedürftigen Kreatur an Speis und Trank beschert.
Dies ist es auch, was mir an dem kleinen Haus in derkleinen Straße so wohl gefällt. Es ist einstöckig und altmodisch. Vor seiner stets geöffneten Bogentür hält gemeiniglich ein Frachtwagen, hoch mit Säcken beladen, denen man, auch wo man es nicht wissen sollte, doch ansieht, daß sie etwas Kräftiges enthalten; in seinem ausgetretenen Flur, in einer Art beständigen Halbdunkels bewegen sich Gestalten, die, mit ihrer ledernen Schürze und wohlgenährten Person von allen menschlichen Wesen am meisten Brauknechten gleichen; und aus dem engen Höfchen kommt ein Malzgeruch, der alles, was man riechen kann, an Lieblichkeit übertrifft. Damit der Leser es wisse: dies ist die Mälzerei des berühmten Patzenhoferschen Brauhauses, das einst in bescheidener Vorzeit, als es seine Paläste draußen am Friedrichshain noch nicht hatte, sich mit solchen Baulichkeiten begnügte an einer Stelle, welche die Traditionen einer priesterlichen Vergangenheit glücklich vereint mit der Erinnerung an Berlins erste und älteste Brauerei. Denn das Andenken an diese aus dem 15. oder 16. Jahrhundert lebt in dem Namen der hier einmündenden Brauhausgasse fort. Klassisch ist der Boden und urgemütlich das Kneipchen, das sich in besagtem Hause zu rechter Hand und ebener Erde dicht bei den Säcken und Pferden und Brauknechten in traulichem Nachbarverhältnis eingenistet hat. Man mag kommen, wann man will, im Sommer oder Winter, ja selbst am hellen Mittag, so brennt Licht in diesem langen, niedrigen Zimmer mit den tiefen Fenstern, und das ist es, was ihm in meinen Augen so sehr zur Empfehlung gereicht; man kann sich immer Gott weiß was einbilden, wenn man sich hier zu seinem Glase niederläßt, und braucht sich nicht vor den fleißigen Menschen zu schämen, die draußen auf der Straße hin- und herrennen. Außerdem stehen hohe Vorsätze vor den Fenstern. Kommt man aber zur Winterszeit hierher, so brennen nicht nur die Lichter, sondern in dem eisernenOfen in der Ecke prasselt ein gehöriges Feuer, das seinen rötlichen Schein weithin über den Fußboden wirft; und war es nur deshalb, um dieser Zeichen echter Gastfreundschaft willen, so kam ich gerne hierher, obwohl ich eine tüchtige Wegstrecke von nicht viel weniger als einer Stunde zu machen habe, bis ich angelangt bin. Gemütliche Leute verkehren hier – kleine Beamte, vornehmlich des Magistrats, Buchhalter, Kontoristen und Prokuristen der umgebenden Geschäftsgegend, Industrielle der mittleren Ordnung, Advokatenschreiber und sonstige Gelehrte – lauter brave Männer, die hier entweder Mittag halten oder sich zum Mittage vorbereiten, indem sie der rastlos dahinstürmenden Welt ein rühmliches Exempel geben, daß der gute Mensch, sofern er nur will, auch in Berlin und mitten am Tage, wenn das Leben in voller Bewegung ist, immer noch Zeit hat, seinen Frühschoppen zu trinken, eine Hand im Solo
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