Bilder aus der Anderwelt
habe diesen Geschichten ohnehin nie Glauben geschenkt", meinte Schaufler entschieden. Er lehnte sich nach vorn , über den Schreibtisch und versuchte verzweifelt, professionell auszusehen. „Mr. Taylor, beim Unnatural Inquirer sind wir ja nicht im Nachrichtengewerbe. Nein. Wir drucken Kuriosa, Unterhaltung, die Ablenkung für den Augenblick. Wir stellen Manisch- Depressive an, um für uns die Horoskope zu schreiben; damit der Leser immer gespannt ist, veranstalten wir Preisausschreiben mit wirklich fantastischen Gewinnen wie Raten Sie, wo die nächste Zeitanomalie auftritt ; und wir sind immer an vorderster Front, was Nachrichten darüber betrifft, was die Reichen und Schönen planen. Selbst wenn diese nicht unbedingt haargenau den Nagel auf den Kopf treffen. Wir drucken Geschichten, die die Leute lesen wollen."
„Egal, ob sie der Wahrheit entsprechen?", fragte ich.
Schaufler zuckte die Achseln und lächelte abermals unangenehm. „Sie wären überrascht, wie nahe wir der Wahrheit durch puren Zufall des Öfteren kommen."
Es klopfte. Schaufler sah mit ziemlicher Erleichterung auf, da er mir nicht mehr allein gegenü bersitzen würde. Er bat den Neuank ömmling einzutreten, die Tür öffnete sich, und Schaufler und ich e rhoben uns, um die Person, die eintrat, zu begrüßen. Sie war gr oß, sah sportlich aus und war einfach nur umwerfend. Langes, schwarzes Haar rahmte ein herzförmiges Gesicht mit hohen W angenknochen, sprühenden Augen und einem altmodischen, sc hmollenden Rosenknospenmund ein. Sie trug ein flottes, geblümtes Kostüm, das sorgfältig geschnitten war, um möglichst viel von ihrem großartigen Körper und perfekten Busen zu zeigen.
Sie hatte auch zwei süße kleine Hörner, die sich von ihrer Stirn wanden und durch ihren Betty-Page-Ponyschnitt lugten.
„Dies ist eine unserer hoffnungsvollen jungen Journalistinnen", sagte Schaufler. „John Taylor, darf ich Ihnen Bettie Göttlich vorstellen. Vice versa ebenso. Sie wird in diesem Fall Ihre Partnerin se in."
Ich hatte Bettie schon die Han d hingestreckt, zog sie aber au genblicklich zurück und funkelte Schaufler wütend an.
„Wohl kaum. Ich suche mir meine Partner selbst aus, Leute, die a uf sich selbst achten können. Ich kann keine Ergebnisse garantieren, wenn ich eine Passagierin mit mir herumschleifen muss. War nicht als Affront gemeint, Bettie."
„Kein Problem", sagte Bettie fröhlich mit einer vollen, rauchigen Stimme. „Ich arbeite für den Unnatural Inquirer . Sehen wir mal, ob Sie mit mir Schritt halten können."
Sie setzte sich auf die Kante des Schreibtisches des Korrektors, schlug die Beine übereinander, um gewaltig viel Sche nkel zu zei gen, und lehnte sich zurück, so dass ihr gewölbter Rücken ihre Brüste besser zur Geltung brachte. Tolle Taktik. Tolle Beine. Echt
toller Busen.
„He", rief sie belustigt. „Mein Gesicht ist hier oben."
„Genau da ist es", entgegnete ich. „Was genau tun Sie hier?"
„Ich bin ein Reporterdämonenmädchen, Schätzchen, und ich meine Dämon. Papa war einer der Rolling Stones, auf einer ihrer Touren in der Nightside war Mutter ein Schlampenlustdämonengroup ie. Einer von beiden hätte es besser wissen müssen, aber hier bin ich nun einmal. Lebensgroß und doppelt so begabt. Ich bin eine erstklassige Journalistin, und du wirst mich bei diesem Fall brauchen, Liebling. Also lehn' dich zurück und genieße es."
„Sie hat recht”, sagte Schaufler schwer atmend. Er setzte sich wieder hinter seinen Schreibtisch, und ich sank abermals in den ungemütlichen Besuchersessel. Schaufler flocht seine Finger ineinander und sah mich ernsthaft an. „Dass Bettie Sie begleitet, ist Teil des Vertrags, Mr. Taylor. Wenn wir schon das viele Geld ausgeben müssen, das wir brauchen werden, damit Sie für uns arbeiten, sind wir entschlossen, einen entsprechenden Gegenwert zu erhalten, und der beste Weg, einen Teil unserer Ausgaben wieder hereinzuholen, ist eine Exklusivstory, wie Sie den Fall gelöst haben."
„Ein Fall mit John Taylor!", sagte Bettie. „Eine Reise durch die finstersten Winkel der Nightside, ein Augenzeugenbericht aus erster Hand! Ehrlich, Süßer, wir werden mit dem Nachdrucken kaum hinterherkommen. Am besten, wir lassen das Papier von Sumoringern in die Presse stopfen. So eine Geschichte gab es noch nie."
„Nein", sagte ich.
Sie rutschte vom Tisch und beugte sich über mich, so nahe, dass ich ihren Atem auf meinem Gesicht spürte. „Du wirst mich brauchen. Bestimmt. Ich kann extrem
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