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Bilder aus der Anderwelt

Bilder aus der Anderwelt

Titel: Bilder aus der Anderwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon R. Green
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darum ging, den heißesten Klatsch und Tratsch zu verbreiten.
    Nicht, dass beim Unnatural Inquirer immer alles glatt lief. Der Chefredakteur hatte einmal einen Journalisten in die Rattengasse geschickt, wo sich die Armen und Ausgestoßenen der Gesellschaft treffen, um ein paar saftige Geschichten über die Reichen und Schönen auszugraben, die durch Pech oder Schicksalsschläge vom hohen Ross gepurzelt waren. Eddie Messer, der Punkgott des Rasiermessers und Verteidiger aller, die auf der Straße lebten, war diese Hartherzigkeit besonders aufgestoßen. Er schickte den Journalisten zurück an den Chefredakteur, in siebenundvierzig einzelnen Paketen. Per Nachnahme.
    „Der Korrektor wird Sie jetzt empfangen", sagte die Empfangsdame. „Er schickt einen Kopierjungen, um sie zu führen."
    „Glauben Sie, ich würde mich verirren?", erkundigte ich mich.
    Sie lächelte kalt. „Wir mögen es nicht, wenn Leute einfach so herumspazieren. Wenn Sie mich fragen, ich finde, alle Gäste sollten mit einem elektronischen Sender versehen werden und einen Zeitstempel bekommen, damit sie immer wissen, ab wann sie nicht länger willkommen sind."
    Die Tür zum inneren Bürobereich öffnete sich, und herausgeschlurft kam ein gebeugter, mürrisch dreinblickender Jugendlicher in schmierigem T-Shirt und Jeans. Das T-Shirt trug den Aufdruck FICK SIE ALLE, UND DANN SOLL SICH DER ARZT DRUM KÜMMERN. Er wischte sich sein langes, fettiges Haar aus dem griesgrämigen Gesicht, musterte mich, grunzte einmal und bedeutete mir, ihm nach drinnen zu folgen. Ich hatte Lust, ihm rein aus Prinzip eine herunterzuhauen.
    „Lass mich raten", sagte ich. »Alles ist beschissen und nichts ist fair."
    „Ich bin neunzehn!", raunzte er und blitzte mich gefährlich an. „Neunzehn und immer noch Kopierjunge, dabei hab' ich Qualifikationen ... die bremsen mich aus. Warten Sie nur; es wird hier ein paar Veränderungen geben, wenn die endlich zur Vernunft kommen, und mich das Ganze übernehmen lassen ..."
    „Wie heißt du?", fragte ich.
    „Langsam beginne ich zu glauben, ich heiße ,Duda´ ! Das ist das einzige, was ich hier zu hören bekomme. Als brächte es die alten Knacker, die hier arbeiten, um, sich meinen Namen zu merken. Der ist übrigens Jimmy, falls es Sie interessiert, was wahrscheinlich nicht der Fall ist."
    „Was willst du werden, wenn du mal groß bist?", fragte ich freundlich.
    Sein Funkeln wurde noch intensiver, und Adern an seinem Hals standen heraus. „Ich will natürlich Reporter werden! Damit ich die Geheimnisse der Reichen und Mächtigen ausgraben kann, um sie dann damit zu erpressen!" Er sah mich listig an. „Ich könnte mit Ihnen anfangen. Wenn ich eine gute Story über den berüchtigten, geheimnisvollen John Taylor bekomme, dann müssen sie mir eine eigene Kolumne geben. Geben Sie sich einen Ruck; erzählen Sie mir was Abscheuliches und Schockierendes über Suzie Shooter. Nimmt sie ihre Knarre mit ins Bett? Tauschen Sie die Bekleidung? Sie geben mir besser was wirklich Gutes, sonst lasse ich mir was besonders Saftiges einfallen. Ich behaupte einfach, Sie hätten es gesagt, und mein Wort stünde gegen Ihres."
    Ich sah ihn sinnierend an, und er trat einen Schritt zurück.
    „Jimmy", sagte ich, „wenn ich auch nur ein einziges Wort über Suzie und mich mit deinem Namen darunter in diesem Schmierblatt finde, benutze ich meine Gabe, um dich zu finden, und dann schicke ich Suzie vorbei, die dir gewiss ihre extremste Missbilligung bekunden wird. Plötzlich, brutal und über den ganzen Boden verspritzt."
    Er schniefte bejammernswert. „Einen Versuch war's wert. Folgen Sie mir."
    Er führte mich in die inneren Büroräume des Unnatural Inquirers . Zigarettenrauch, Weihrauch, Schweiß und Spannung hingen in der Luft. Leute schwirrten wichtigtuerisch um die ganzen Reporter herum, die alle mit verbis sener Konzentration an ihren Ti schen arbeiteten und auf ihre Cormputertastaturen einhämme rten, als hinge ihr Leben davon ab. Sie riefen einander Dinge zu, ohne von ihrer Arbeit aufzusehen, und verlangten Informatio nen, Meinungen und den letzten Klatsch wie heißhungrige Vogel kin der im Nest. Sie alle klangen gut aufgelegt, aber unterschwell ige Bösartigkeit und gnadenlose Rivalität waren durchaus zu spü ren. Der generelle Lärmpegel war bedrohlich hoch, die Luft konn te man kaum atmen, und der ganze Ort schien vor Genialität u nd Ehrgeiz nur so überzuschäumen.
    Es war genau so, wie ich es mit immer erträumt hatte.
    Der Kopierjunge

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