Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bilder aus der Anderwelt

Bilder aus der Anderwelt

Titel: Bilder aus der Anderwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon R. Green
Vom Netzwerk:
die Fälle anderer Kunden. Wie auch immer, das bedeutet nicht, dass ich ohne meine Gabe hilflos bin. Nur müssen wir das Ganze auf die altmodische Art und Weise angehen, indem wir Fragen stellen, Hinweisen folgen und Fährten aufspüren."
    „Aber ... wenn wirklich ein großer Fisch in die Sache verwickelt ist, bedeutet das nicht, dass die Jenseitsaufnahme echt sein muss?", wunderte sich Bettie. „Warum sollte er sich sonst einmischen?"
    „Aus demselben Grund wie wir", sagte ich. „Weil er herausfinden will, ob die Aufnahme echt ist oder nicht. Oder ... weil jemand uns glauben machen will, dass sie echt ist ... nichts ist in der Nightside jemals einfach."
    Dann hielt ich inne und sah Bettie nachdenklich an. Etwas an ihr war anders. Kleine, aber auffällige Veränderungen, seit wir den Unnatural Inquirer verlassen hatten. Ich brauchte einen Moment, bis mir auffiel, dass sie nun einen großen Schlapphut trug.
    „Ah", sagte Bettie. „Es ist dir aufgefallen. Lass dich dadurch nicht aus der Bahn werfen, Liebes. Ich bin darunter immer dieselbe."
    „Wie beruhigend", entgegnete ich. „Wir brauchen einen stillen Ort, an dem wir nachdenken und über diese ganze Sache reden können ... einen Ort, an dem uns keiner stört. Ich hab's. Hawk's Wind Bar & Grill ist nicht allzu weit von hier entfernt."
    „Das kenne ich!", rief Bettie und klatschte vor Freude in die Händchen. „Der Geist der Sechziger! Groovy, Baby!"
    „Du bist die ganze Zeit so, nicht?", fragte ich.
    „Sicher!"
    „Ich werde deinen Chefredakteur dafür bluten lassen .." „Das sagen ziemlich viele Leute", gluckste Bettie.
    Hawk's Wind Bar & Grill war als Swing-Cafe und Tränke für die hipsten Geister der Sechziger entstanden. Jeder, der meinte, etwas zu sein, musste im Hawk's Wind im Rampenlicht stehen, seine neuesten Pläne schmieden, diverseste Geschäfte abwickeln und den letzten Tratsch austauschen. Die Bar war wild, glamourös und fast zu einflussreich für ihr eigenes Seelenheil. Sie brannte 1970 bis auf die Grundmauern nieder, wahrscheinlich hatte sie sich nach der Auflösung der Beatles aus Protest selbst angezündet, doch sie war zu beliebt und verehrt, um allzu lange unter den Toten zu weilen. Sie kam als Gespenst zurück, als Geist des Gebäudes, der an seinem früheren Standort herumspukte. Der Glaube der Leute verankerte die Bar in der Realität und verlieh ihr Stofflichkeit, und heute war sie eine Schatzkiste für alles, was an den Sechzigern großartig war.
    Man bekam dort Getränke, Speisen und Musik, die im Rest der Welt außerhalb von Hawk's Wind Bar & Grill seit vierzig Jahren verschwunden waren, und Berühmtheiten aus den Sechzigern tauchten immer wieder dort auf, oft durch Zeitreisen oder andere, nicht ganz so geradlinige Reisemöglichkeiten. Nicht jeder stand drauf, aber andererseits - gab es etwas, das wirklich alle mochten?
    Ich öffnete die Holzgittertür und führte Bettie hinein. Die Reporterin schnappte nach Luft und machte leise „O oooo h", als wir an den psychedelischen Mustern an den Wänden, den Rokokomustern in Leuchtfarbe und d en Pop-Art-Postern von Jimi, Ché und Timothy Leary vorbeigingen. In der Luft hing der Geruch von Jasmin, Räucherstäbchen und Joints. Eine bizarre Stahlkonstruktion fauchte laut in einer Ecke, während sie verschiedenfarbigen Dampf ausspie und Kaffeesorten spendete, die ausreichend Koffein enthielten, um einem die Schädeldecke wegzublasen. Der Kaffee im Hawk's Wind konnte Tote erwecken oder sie zumindest für Stunden auf der Tanzfläche herumzappeln lassen. Ich setzte mich mit Bettie an einen Resopaltisch und ließ mich behutsam in den altersschwachen Plastiksessel sinken.
    Rotierende Farblichter tauchten die Wände, die mit Spiralen in den Primärfarben bemalt waren, in hübsche Muster, während eine Musikbox in der Größe der Tardis einen groovigen Hit nach dem anderen hämmerte, im Moment „Reach Out, I'll Be There" von den Four Tops. Das Lied hatte für mich schon immer einen etwas finsteren Unterton gehabt, zumindest für ein Liebeslied. Überall um uns herum saßen bekannte Gesichter aus Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, die meisten davon, um einfach die Atmosphäre zu genießen. Bettie schaukelte auf ihrem Stuhl hin und her, um möglichst alles gleichzeitig in sich aufzusaugen.
    „Nicht hinstarren", warnte ich. „Die Leute werden denken, du seist Reporterin."
    „Aber das ist so überwältigend!", rief Bettie, während sie in ihrem Sessel auf und ab hopste. „Ich war hier noch

Weitere Kostenlose Bücher