Bilder aus der Anderwelt
Ob nach Oben ode r Unten, konnte allerdings niemand sagen.
Bett i e hielt an einem Tisch an und begrüßte einen bestimmten Journa listen besonders giftig mit einem garstigen Blick, der eine Klapperschlange auf vierzig Schritt getötet hätte. Er wirkte auf eine hoffnungslos ölige Art gewieft und kumpelhaft. An ihm sa h selbst sein feiner Anzug zerknittert aus, und er trug eine diamantenbesetzte Krawattennadel, die groß genug war, um unter das Waffengesetz zu fallen.
„Möchtest du uns nicht vorstellen?", fragte ich Bettie unschuldig.
Sie schniefte laut. „John, Schatz, dieser schmierige Druckfehler ist Rick Aday, Reporter bei der Night Times ."
„Enthüllungsreporter", korrigierte er lässig, und warf mir ein perfektes Lächeln zu, auch wenn seine Zähne etwas vergilbt waren. Er streckte mir die Hand zur Begrüßung hin. Ich sah sie an, und er zog sie wieder zurück. „Sie müssen meine Kolumne gelesen haben, Mr. Taylor, ich habe viel über sie geschrieben: Rick Aday, Schwierigkeiten sind mein zweiter Vorname."
„Nein, dein zweiter Vorname ist Cedric", sagte Bettie verschnupft.
Aday warf ihr einen bösen Blick zu. „Immer noch besser als Deiner, Delilah."
„Leck mich an den Schuppen!"
„Die waren mal zusammen", raunte mir ein anderer Journalist kumpelhaft zu. Ich nickte. Das hatte ich mir gedacht.
„Ich bin der Jenseitsaufnahme schon eine ganze Weile auf der Spur", erzählte Aday hochmütig. „Bin ein paar glaubwürdigen Hinweisen nachgegangen, wenn du es wissen willst. Ich warte im Moment auf den Anruf eines ziemlich kompetenten Informanten, und dann verschwinde ich hier, um Mr. Donavon ein lukrative s Angebot für seine DVD zu unterbreiten."
„Das kannst du nicht tun!", keifte Bettie sofort. „Meine Zeitung hat einen rechtmäßigen Vertrag mit Donavon, der uns die Exklusivrechte für sein Material zusichert."
Aday grinste. „Wer's findet, behält's, und die Loser können das ganze dann in der Night Times nachlesen."
„Wie es scheint, ist in der Liebe und im Journalismus alles erlaubt", meinte ich, und Bettie zischte mich an.
Ich wandte mich ab, um Bettie und ihrer alten Flamme zu er möglichen, sich ungestört zu beschimpfen. Ich hatte bemerkt, dass die nächste Wand eine ganze Reihe Karikaturen berühmter Per sönlichkeiten der Nightside aufwies. Bestechende Ähnlichkeit, we nn auch brutal, übertrieben und oft einfach nur seelisch grau sam . Sie waren alle mit einem Namen signiert, der mir etwas sagte. Bo zi e s Arbeit war in der ganzen Nightside weithin bekannt und ers chien in den besten Blättern und Zeitschriften. Er übertraf sich s elbs t, wenn es dazu kam, die schlimmsten Charakterzüge einer Pe rson herauszustreichen und sie im gleichen Moment lächerlich e r sch einen zu lassen. Die Portraitierten bissen für gewöhnlich die Zä hne zusammen und machten so gut es ging gute Miene zum bö sen Spiel, da man in der Nightside niemand war, solange Bozie ei nen nicht karikiert hatte.
Es kursierten Gerüchte, dass Bozie ganz schöne Sümmchen n ahm , um eines seiner Kunstwerke zu vernichten, bevor es an die Öffentl ichkeit kam. So gelangte man in der Nightside zu einem gew issen Ansehen.
Ich war noch nie ein Freund unnötiger Grausamkeit gewesen. Die sollte man sich für Zeiten aufbewahren, da sie notwendig war.
Ich ging langsam die Wand entlang und sah mir die diversen W e r ke in Tinte und Tusche in ihren Weichholzrahmen an. All die üblichen Verdächtigen waren versammelt. Selbstverständlich W alker ., der sehr sinister dreinblickte und bei dem man eine Spur Inzucht vermuten konnte. Julien Advent, unglaubwürdig edel, mit Hei ligenschein und Stigmata. Der Schallmörder in seinem wa llenden Mantel aus den Sechzigern, der an einem menschlichen Obersche nkelknochen knabberte, während er dem Betrachter geg enüber eine unanständige Geste machte, und ... Flintensuzie. M eine Suzie. Ich hielt vor der Karikatur an und musterte sie teil na hmslos. Bozie hatte sie als Monster gezeichnet. Ganz schwarzes Fe tischleder mit unmöglich großen Brüsten und dem Gesicht ei ner Axtmörderin. Er hatte jedes Detail ihres Aussehens übertri eb en, um sie so hässlich und wahnsinnig wie möglich darzustellen.
Dies war nicht einfach nur eine Karikatur; es war ein persönli cher Angriff. Eine Beleidigung.
„Gefällt es Ihnen?", sagte eine träge Stimme neben mir. Ich sah mich um, und da stand der Künstler selbst - der berüh mte oder eher berüchtigte Bozie. Ein großer, schlaksiger Typ in
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