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Bilder von A.

Titel: Bilder von A. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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Maschinen.
    Von der Metrostation bis zum Theater konnte man sich nur schwer einen Weg durch die vielen Menschen bahnen, die da standen und nach Theaterkarten fragten, biljeti? biljeti? , die Vorstellungen waren jeden Tag ausverkauft, und selbst bei Sturm und Schnee und Unwetter säumten die Leute den Weg bis zum Theater und fragten biljeti? biljeti?
    Der Gamlet wurde in der Übersetzung von Pasternak gegeben, und Wyssotzky rezitierte zu Beginn jeder Vorstellung, gewissermaßen als Einstimmung, Pasternaks Hamlet-Poem aus dem verbotenen Doktor Schiwago . Während der ganzen Aufführung blieb die Bühne bis auf die weißgekalkte Hinterwand leer, als einzige Dekoration schob sich ein riesiger erdgrauer, grobgewebter Vorhang in alle Richtungen über die Bühne, drehte sich um seine eigene Achse und trieb die Figuren vor sich her, begrub sie unter sich, beförderte sie auf die Vorderbühne, während Wyssotzky/Gamlet, wenn er gerade keinen Auftritt hatte, im schwarzen Rollkragenpullover an der weißen Hinterwand der Bühne lehnte und auf der Gitarre vor sich hinklimperte.
    A. hatte in seinen Anfangszeiten als Regisseur in einer Provinzstadt der DDR auch einmal einen Hamle t inszeniert, aber die Inszenierung wurde nach der Premiere sofort verboten und A. fristlos aus dem Theater entlassen, um sich erst einmal »in der Produktion zu bewähren«, bevor er die Bretter irgendeiner Bühne wieder betreten durfte, wodurch seine verbotene Hamlet -Inszenierung für immer als Legende in die DDR-Theatergeschichte einging. Den Text kannte er auswendig, denn er hatte ihn damals, wie Pasternak, selbst neu übersetzt.
    Wie ich es erhofft hatte, war A. begeistert von der Taganka-Inszenierung, und ich war stolz, als wäre es mein Werk. Wir sahen uns in großem Einverständnis an, lachten uns zu und hielten uns an der Hand, und in der Pause oder danach nahm er mich plötzlich ganz stürmisch in die Arme und hielt mich lange fest und hätte wohl fast gesagt, ich liebe dich, statt dessen aber sagte er, ich danke dir so sehr. Ich heulte ein bißchen und liebte ihn und sagte es ihm auch. Ich liebte Wyssotzky und den Gamlet und das ganze Taganka-Theater und alle meine Freunde dort in Moskau und Marina Vlady noch dazu.
    Außerdem war A. in Moskau ganz auf mich angewiesen, denn ich konnte Russisch, und er konnte es nicht. Ich kannte mich dort aus und er überhaupt nicht, er ließ sich von mir führen, und das schien ihm sogar zu gefallen, er wußte ja, daß es nur eine Woche dauern würde. Das Fluchttier zeigte keine Fluchtreflexe, mußte nicht allein sein, hatte dazu auch keine Gelegenheit, denn nach der Vorstellung saßen wir noch lange mit den Schauspielernund vielen anderen Leuten zusammen, und Wyssotzky sang, bald sangen alle, und wir kehrten erst sehr spät ins Hotel zurück. Das von A. zerschmetterte rätselhafte Radio, daß nur Punkt Mitternacht die Nationalhymne zu senden wußte, war am nächsten Tag auf dem wackligen Nachttisch durch ein neues ersetzt, worüber wir uns erst wunderten, bis wir begriffen, daß der »Empfänger« wohl ganz andere Aufgaben zu erfüllen hatte.
    Natürlich lag in dieser Woche Schnee in Moskau, hoher Schnee, es war ja die Weihnachtswoche, russischer Winter, wie im Märchen.
     
    Es gab einmal, in dreißig Jahren, eine Woche, da waren wir ein Paar. Wir waren beide überwältigt von all den Moskauer Begegnungen, von allem, was wir dort hörten und sahen, und fühlten uns wie auf einen anderen Stern versetzt. Fast, daß wir glücklich waren. Wir fühlten uns frei, so fern von Berlin, frei von dem schwierigen Manövrieren zwischen dem Leben und dem Theater und frei von den Spannungen durch A.s Rückzüge, seine Stimmungen und Stummheiten und meine Forderungen, die ich natürlich nie aussprach, mir sogar selbst nicht eingestand und die mich doch bedrückten, frei auch von den Dissonanzen unserer Herkunft und unseres Alters.
    Es war fast wie die Erfüllung unserer Losung stärker, größer, schöner, leidenschaftlicher, dunkler , selbst mit dem in Klammern hinzugefügten dicker , denn durch die viele saure Sahne, die einem dort nach russischer Sitte in den Borschtsch und alle anderen Speisen gekleckstwurde, hatte ich bestimmt ein oder zwei Kilo zugenommen.
    A. kaufte mir in Moskau zwei warme, wollene Tücher à la russe, mit großen Blumen gemustert, eins zum Behalten und eins zum Verlieren, wie er sagte, weil ich damals immer so viel verlor und verbummelte und den verlorenen Dingen dann lange nachtrauerte.
    Im

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