Bilderbuch Aus Meiner Knabenzeit
vollkommenen Verstand besaß, sich um die Republik verdient gemacht habe, aus dem Gefängnis zu befreien.
Lux
verwarf mit Unwillen die Maske, weil Frankreich sich Republik nannte, weil er erklärter Republikaner war: was Brutus zu den Zeiten des Königtums für erlaubt hielt, würde er nicht mehr zu den Zeiten der Republik für erlaubt gehalten haben.
Montanié, Vergniaud
und
Miranda
bestürmten
Lux
in meiner Gegenwart, die günstige Gelegenheit zu benutzen, und sich für bessere Zeiten aufzusparen – allein ihr Zureden war vergebens –
Lux
verwarf das Mittel und forderte
Lavaux
zum schnellen Widerruf auf –
Lavaux
tat, was seine Pflicht war – er widerrief. In den letzten Monaten seiner Gefangenschaft wurden die Maßregeln so scharf, daß die Gefangenwärter ohne Erlaubnis durchaus niemand mehr einlassen durften – die Erlaubnisscheine selbst wurden äußerst selten erteilt. Ein günstiger Zufall machte es uns endlich möglich, einander Nachrichten von unserer Lage und Umständen zu geben.
Lux
schickte mir Briefe an seine Gattin und seinen Freund
Vogt:
er schickte sie mir oft; so wie ich sie bekam, gab ich sie nachher unserem gemeinschaftlichen Freund
Forster,
der eher als ich Gelegenheit hatte, sie an ihre Adresse zu senden. Aus dem Brief an den Professor
Vogt
erinnere ich mich noch einer Stelle, worin er seinen würdigen Freund bat, den Koadjutor
von Dalberg
seiner Achtung zu versichern – da ich nicht weiß, ob diese Briefe in einer Zeit, wo die Posten unter Aufsicht von 48000 Inquisitionsausschüssen standen, an ihre Adresse gekommen sind – so habe ich eine Sache nicht vergessen wollen, deren großen Wert die Philosophie des Herrn
von Dalberg
wird zu schätzen wissen. Der Brief an seine Gemahlin trug in jedem Wort das Gepräge der zärtlichsten Liebe des Gatten und – des Vaters.
Zehn bis vierzehn Tage waren vorüber, ohne daß ich Nachricht von
Lux
erhalten hatte: eines Tages las ich wie gewöhnlich das Abend-Journal, ich fand am Ende desselben den Artikel: Revolutions-Tribunal. Dieser Artikel enthielt diesmal die fürchterlichen Worte –
Lux,
Deputierter des rheinisch-deutschen Konvents ist um drei Uhr vor dem Tribunal erschienen – auf die Frage, ob er Verfasser der Schrift gegen die Revolution vom 31. Mai sei, antwortete er mit – Ja. Das Tribunal verdammte ihn als einen gegen die
Freiheit,
das
Volk
und die eine und unzertrennliche Republik Verschworenen – zum Tod: Um fünf Uhr wurde der
Mordspruch
auf dem Revolutionsplatz vollzogen.
In einer der in den letzten Dekaden herausgekommenen Schriften, die die Gefängnisgeschichte eines jungen Republikaners ist, finde ich folgende Stelle, die den braven
Lux
betrifft:
Adam Lux,
merkwürdig wegen seines Charakters eines Deputierten der Stadt Mainz und seiner Bewunderung der außerordentlichen
Corday,
sah dem Tod mit dem höchsten Grad stoischer Ruhe entgegen. Er sprach gerade mit uns über die Gefahr der Leidenschaften und den Mangel der Beurteilungskraft, der eine feurige und unverdorbene Seele beständig über das Ziel hinausreißt, als man ihn rief, um ihm seinen Anklage-Akt zuzustellen: – er las ihn mit Kaltblütigkeit und steckte ihn mit Achselzucken in die Tasche.
›Hier‹, sagte er zu uns, ›mein Todesurteil. Dieses Gewebe von Abgeschmacktheit führt den Repräsentanten einer Stadt auf das Schafott, die mich abgeschickt hat, um Euer zu werden. Ich endige im 28. Jahr meines Alters ein elendes Leben; – morgen werde ich kalt wie dieser Stein sein! Allein sagt denen, die Euch von mir sprechen werden, daß wenn ich den Tod verdient habe, es nicht unter den Franken war, wo ich ihn empfangen sollte – sagt ihnen, daß ich seine Annäherung mit Ruhe und Verachtung gesehen habe.‹ – Er brachte die Nacht mit Schreiben zu, frühstückte mit Appetit, gab seinen Mantel einem unglücklichen Gefangenen, erschien um 3 Uhr vor dem Tribunal und war um 6 Uhr nicht mehr.
Im Original heißt es um 9 Uhr und 3 Uhr – allein es ist ein Fehler.
Ein braver Jüngling, der als 17jähriger Knabe der Bataille von Jemappe beigewohnt hatte, der Sohn meines Hausherrn, begegnete
Luxen
gerade, als er am Louvre vorüberfuhr – er kannte unsere Verbindung, und da er mich erst einige Minuten zuvor ununterrichtet von dem, was vorging, gesehen hatte, so folgte er
Luxen
bis an das Schafott, und eilte, mir dann die schreckliche Nachricht mit allem, was er selbst gesehen hatte, zu überbringen.
Der Wagen fuhr diesmal, nicht wie sonst zu geschehen pflegte, durch die
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