Bille und Zottel 01 - Pferdeliebe auf den ersten Blick
mich gleich darum kümmern. Also - Wiedersehen! Und grüß deine Mutter, Bille!“
„Ja, danke — wird gemacht, Herr Lohmeier!“
Als Bille außer Hörweite war, jubelte sie laut. Sie hätte sich nicht träumen lassen, daß Herr Lohmeier so energisch für sie Partei ergreifen würde. Das mit dem reparaturbedürftigen Riegel hatte er sicher erfunden, Petersen hatte Herrn Lohmeier bestimmt nichts davon gesagt.
Beim Frühstück hielt es Bille nicht mehr aus. Sie erzählte Mutsch haargenau die ganze Geschichte — Zottels Streich, ihre Ängste und vergeblichen Entschuldigungsversuche - und schließlich von dem glücklichen Zufall, der Zottel die Möglichkeit gab, alles wiedergutzumachen.
Mutsch lachte, bis ihr die Tränen kamen. Immer wieder mußte Bille vormachen, wie Zottel vor Frau Lohmeier auf den Hinterbeinen gestanden hatte, und je mehr diese die Arme gen Himmel hob, desto höher stieg auch er.
„Nein, zu komisch“, lachte Mutsch, „er muß gedacht haben, sie sei sein Zirkusdirektor und gäbe ihm Zeichen für sein Kunststück.“
„Mutsch — aber du versprichst mir, daß die Geschichte unter uns bleibt, ja? Vor allem das von gestern abend!“ sagte Bille eindringlich.
„Aber natürlich. Deshalb bist du gestern also so spät nach Hause gekommen! Ich wollte schon mit Onkel Paul schimpfen. Was macht er eigentlich — man bekommt ihn überhaupt nicht mehr zu sehen?“
„Ach, er ist doch ständig drüben in Leesten. Der Spar-Markt muß wohl bald fertig sein, da ist er natürlich für nichts anderes mehr zu sprechen. Was meinst du, soll ich nicht einfach mal rüberfahren und schauen, wie weit sie sind?“
Bei Mutsch war es, als rassele eine Jalousie herunter. Ihr Gesicht nahm einen verschlossenen Ausdruck an.
„Wenn’s dir Spaß macht, bitte“, sagte sie kühl. „Ich muß jetzt in den Laden.“
Sie stand auf, räumte ihr Gedeck in den Spülstein und ließ heißes Wasser darüberlaufen. Wie sie so dastand, vornübergebeugt, mit hängenden Schultern, sah sie alt und verlassen aus. Wie jung hatte sie vorhin gewirkt, als sie lachte! Warum war sie nur so schrecklich verbohrt, wenn es um den Spar-Markt ging!
Bille beschloß, auch darüber mit Onkel Paul zu reden.
Als Bille ihr Fahrrad von der Hauswand nahm, fiel ihr ein, daß sie doch ebensogut nach Leesten hinüber reiten konnte, statt zu fahren. Sie mußte ja nicht unbedingt die Chaussee nehmen, auf Feldwegen kam sie genausogut hin. Also fuhr sie zum Stall hinüber, um Zottel zu satteln. Der freute sich, als er merkte, daß es statt eines strengen Trainings einen morgendlichen Vergnügungsritt gab.
Es war schwül, am Himmel zogen sich erste Wolkenberge zusammen, und auf den Wiesen wurde in aller Eile das letzte Heu hereingeholt. Sicher würde es am Nachmittag ein Gewitter geben, aber noch schien die Sonne.
Bille überlegte, ob sie nicht gleich an die Ostsee weiterreiten solle und ein erfrischendes Bad nehmen. Außerdem mußte es herrlich sein, am Strand entlang zu galoppieren. Aber von Leesten waren es noch fünf Kilometer bis zur See, und die Aussicht, auf dem Rückweg vielleicht von dem Gewitter überrascht zu werden, war nicht sehr angenehm. Also tröstete sie sich mit dem Gedanken an eine Dusche unter dem Gartenschlauch bei ihrer Heimkehr.
„He - Bille!“
Sie hatte gerade die ersten Häuser von Leesten erreicht, als Elli, Heike und Martina auf ihren Rädern neben ihr auftauchten.
„Hoch zu Roß — ich werd nicht wieder!“ sagte Heike, schwankend zwischen Bewunderung und Spott.
„Der sieht ja aus, als käm er aus dem Zirkus!“
„Wo hast ’n den aufgegabelt?“
„Er gehört zum Stall von Herrn Tiedjen“, sagte Bille würdevoll. „Ich bin seine Pflegerin und darf mit ihm trainieren. War gar nicht so einfach, ein normales Reitpferd aus ihm zu machen, aber er hat sich großartig entwickelt.“
„Na, jetzt begreife ich, warum du nie mehr Zeit für uns hast. Bei solchen Pflichten! Da bist du natürlich voll ausgelastet“, meinte Heike ironisch.
„Wir haben schon gefürchtet, du hättest die Pocken oder sonst eine Krankheit, weil du dich gar nicht mehr blicken läßt. Geschweige denn, mit zum Baden kommst!“ warf Elli ihr vor.
„Ich möchte ja gern, aber . . .“ Bille spürte ein leises Bedauern in sich aufsteigen, unterdrückte es aber sofort. „Wißt ihr, bei Herrn Tiedjen persönlich Unterricht zu bekommen und seine Pferde betreuen zu dürfen ist eine Chance, die man wahrnehmen muß. Da bleibt einfach keine Zeit mehr
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