Bille und Zottel 01 - Pferdeliebe auf den ersten Blick
Tiedjen — in der kurzen Zeit. Deine Haltung ist erstklassig!“
„Danke, Onkel Paul“, flüsterte Bille.
Sie bemühte sich, so elegant wie nie vorher aus dem Sattel zu springen, was ihr zu ihrer Genugtuung auch gelang. Dann nahm sie Zottel am Zügel und stakste mit etwas steifen Beinen hinter Onkel Paul her.
„Komm, mein Deern, hinten im Hof kannst du deinen Zottel anbinden. Was zu trinken bekommt er auch. Und dann kannst du mir beim zweiten Frühstück Gesellschaft leisten, magst du?“
„Klar! Was meinst du, was ich schon wieder für einen Hunger habe!“
Onkel Paul war wirklich Gold wert. Auf dem Hof war es schattig und kühl, und an der Einfahrt hing ein großes Schild „Zutritt nur für Lieferanten“. Die gaffende Menge blieb auf dem Vorplatz zurück und zerstreute sich allmählich.
„Puh, das war der erste öffentliche Auftritt meines Lebens“, stöhnte Bille. „Ganz schön anstrengend.“
Sie band Zottel neben der Laderampe fest, und Onkel Paul brachte einen Eimer Wasser für ihn. Dann gingen sie in Onkel Pauls Büro.
„Ich habe gar nicht gewußt, daß der Spar-Markt schon fast fertig ist! Er ist toll geworden. Zeigst du mir nachher alles?“
Onkel Paul strahlte, Billes Lob freute ihn offensichtlich. „Nicht wahr - ein schmucker Bau! Die Besichtigung können wir ebensogut gleich vornehmen. Komm — hier geht’s lang.“
Er öffnete Bille die Tür zum Verkaufsraum.
„Hier, gleich links, das ist die Theke, an der Wurst und Fleisch verkauft werden sollen. Die Tür hier rechts führt zu den Lagerräumen. Dahinter an der Längswand die Tiefkühltruhen und die Regale für Gemüse und Frischobst. Die Regale in der Mitte sind für Nährmittel und Konserven, die dort rechts für Wasch- und Putzmittel und Kosmetik . . .“
„Und die Kühltruhe hier vorne?“
„Für Molkereiprodukte, Milch, Butter, Käse und so weiter.“
„Und das runde Regal da? Sieht aus wie eine Litfaßsäule. So was finde ich aber komisch.“
„Da kommen Kaffee, Tee und Schokolade hin. Komm, du hast die Kassen noch nicht gesehen. Hier, das Modernste vom Modernen! Vollautomatisch, mit Förderband und Geldrückgabe und allem Drum und Dran.“
„Wirklich ’ne Wucht. Wenn ich denke, wie Mutsch oft alles noch auf dem Papier zusammenzählt, wenn unsere vorsintflutliche Kasse mal wieder den Geist aufgegeben hat . . .“
„Gefällt’s dir?“
„Einmalig - vor allem die Farben, alles in Zitronengelb und Orangerot, meine Lieblingsfarben!“
„Ja, und weißt du warum? Damit auch bei Regenwetter alles aussieht, als schiene die Sonne durchs Fenster. Das versetzt die Leute in gute Laune und . . .“
„. . . sie kaufen mehr, als sie wollten.“
Sie lachten.
„Ehrlich gesagt, Onkel Paul — so schön habe ich es mir gar nicht vorgestellt.“
„Warte erst mal, bis die Waren eingeräumt sind! Das wird ein Anblick — natürlich müssen zur Einweihung Blumen her, ein Meer von Blumen!“ sagte er verträumt. „Glaubst du, daß es deiner Mutter gefallen wird?“
Er war stolz wie ein kleiner Junge auf sein neues Spielzeug.
„Ach, Onkel Paul“, sagte Bille bedrückt, „vorläufig sieht sie schon rot, wenn sie nur das Wort Spar-Markt hört. Was machen wir bloß mit ihr?“
„Tja - nun laß uns erst mal frühstücken.“
Sie setzten sich in Onkel Pauls Büro an den Schreibtisch, und er holte aus einem kleinen Kühlschrank Wurst, Käse, Butter und eine Flasche Milch. Dann zauberte er aus einer Schublade Semmeln, Teller und Campingbestecke.
„Wird alles im Spar-Markt Leesten zu kaufen sein“, sagte er augenzwinkernd. „So, jetzt wollen wir es uns richtig gemütlich machen. Bedien dich.“
Bille belegte sich eine Semmel dick mit Bauernwurst und Onkel Paul goß ihr einen Becher Milch ein.
„Weißt du, mir ist da eben so eine Idee gekommen, wegen der Eröffnung . . .“
„Über Mutsch?“
„Nein, über dich und deinen Zottel. Ihr könntet mir ein bißchen helfen, wenn du Lust hast. Zettel verteilen, Reklame machen, meine ich. Wir könnten euch beide ein bißchen zirkusmäßig verkleiden . . .“
„Ich könnte Luftballons und Bonbons verteilen . . .“
„Du könntest in die umliegenden Orte reiten . . .“
„. . . vielleicht auch Kutschfahrten für Kinder veranstalten.“
„Es wäre eine fabelhafte Werbung für uns.“
„. . . oder Zottel vor einen Eiswagen spannen und Eis verkaufen!“
Onkel Paul grinste. „Ich sehe, du bist ein erstklassiger Mitarbeiter, voller Ideen und Aktivität. Ich weiß
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