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Billigflieger

Titel: Billigflieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Tamm
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an der Zeit, ins Hotel zurückzukehren, und wir unternehmen bereits seit einiger Zeit den Versuch, das Bier, das wir gerade trinken, zum absolut letzten in dieser Nacht zu erklären.
    Dumm nur, dass irgendeiner von uns immer wieder ein mehr oder weniger leises: »Einer geht noch, einer geht noch rein«, von sich gibt.
    Woraufhin die anderen drei im Chor antworten: »Da simmer dabei. Dat is prima.«
    Und dann heben die Jungs zum vermutlich hundertsten Mal ihre Gläser und trinken auf mich: »Auf Jo, der endlich heiraten wird. Nun wirst du auch all die schönen Dinge in der Ehe kennenlernen: Seitensprünge, die Schwiegermutter, Steuersplitting und das Gefühl von Hochzeitstag-vergessen-und-dafür-den-Kopf-abgerissen-Bekommen. Auf dich, Jo. Und auf dein künftiges Glück.«
    Wir stoßen an, und die Jungs nehmen mich nacheinander in den Arm. Dabei erklären sie mich zum Helden dieses Tages, dieses Urlaubs und überhaupt des ganzen Jahres.
    Und dann stellt Hacki, ganz nebenbei, diese kleine unverfängliche Frage: »Und jetzt erzähl doch endlich mal von dieser Keule, mit der du gestern zusammen warst. Von dieser Katie. Hast du sie endlich klargemacht? Hast du das kleine Luder so richtig durchgenommen?«
    Schröder und Benni quittieren seine Worte mit einem ziemlich pubertären Lachen, ich dagegen schweige eisern. Und zwar so lange, bis Hacki abwinkt und auch die anderen sich damit abfinden, dass von mir nichts zu erfahren ist.
    »Dann halt nicht«, sagt Hacki und seufzt.
    »Genau, dann halt nicht«, erwidere ich.
    Schließlich soll diese nächtliche Happy-Hour-Tour nicht nur Spaß machen, sondern noch einen weiteren Zweck erfüllen. Ich möchte die Erinnerungen an Katie aus meinem Gedächtnis löschen. Weil mir ein dumpfes Gefühl sagt, dass ich in Schwierigkeiten gerate, wenn ich das nicht tue. Und auf Schwierigkeiten stehe ich nun mal nicht.
    Was tut also ein Mann, der nicht mehr an eine Frau denken will? Genau. Er säuft.
    Denn nur mal so ganz nebenbei bemerkt, Alkohol hat im menschlichen Gehirn ungefähr dieselbe Funktion, wie wenn man bei seinem PC auf Datei löschen klickt und das Ganze dann noch einmal mit Return bestätigt. Da wir Menschen eben keine Maus, kein Windows und auch keine Return-Taste haben, müssen wir uns etwas anderes einfallen lassen. Trinken zum Beispiel.

35. Ganz unten
    Am nächsten Morgen liege ich am Pool unseres Hotels in der Sonne und habe keine Ahnung, wie ich dorthin gekommen bin. Mein Kopf fühlt sich an, als würden meine Gehirnzellen Stockcar-Rennen fahren. Mein Magen ist durch das Bier der vergangenen Nacht zunächst auf die Größe eines Heißluftballons aufgebläht worden und danach zu einer Haselnuss zusammengeschrumpft. Mein restlicher Körper fühlt sich an, als hätte ich mehrere Liter Blut gespendet und dazu gleich alle Organe verschenkt, die nicht absolut lebenswichtig sind. Ich fühle mich hundeelend.
    Obwohl nein, so schlimm ist es gar nicht. Im Gegenteil, mir geht es sogar ganz hervorragend. Mir fällt nämlich gerade ein, dass mein Vorhaben offenbar erfolgreich war. Ich erinnere mich an so ziemlich gar nichts mehr. Und schon gar nicht an diese Katie. Ich kenn die gar nicht. Wer war das nochmal?
    Mein Datenspeicher ist gelöscht. Er ist rein und frei und bereit für Neues. Und das war schließlich Ziel der Übung. Ja, jetzt verstehe ich endlich, warum manche Leute Alkohol als Reinigungsmittel betrachten. Es funktioniert. So viel kann ich bestätigen.
    Bin ich deswegen primitiv? Oder bin ich nur ehrlich? Nina findet übrigens beide Antworten richtig, wie sie mir erst neulich wieder gesagt hat:
    »Du bist ehrlich primitiv, Jo.«
    Aber das macht mir nichts aus. In jedes gesunde Eheleben gehören auch gewisse Meinungsverschiedenheiten. Sonst würde es ja langweilig werden. Und bei uns wird es garantiert nie langweilig werden. Dafür streiten wir uns viel zu oft. Erst recht, seit wir offiziell verlobt sind. Seitdem vergeht keine Woche, ohne dass wir aneinanderrasseln.
    Ein paar Tage vor meinem Abflug zum Beispiel saßen wir zusammen im Wohnzimmer und lasen. Sie war in eine ihrer tausend Zeitschriften vertieft, keine Ahnung, welche es war - Petra, InStyle, Glamour, davon hat sie einen ganzen Haufen abonniert. Plötzlich hebt sie den Kopf, schaut mich an und sagt: »Sag mal, musst du eigentlich immer so einen Scheiß lesen?«
    Ich blicke von meinem Autoteile-Unger-Katalog auf, in dem ich für mein Leben gerne schmökere (vielleicht war es auch der neue Four Wheel Driver oder die

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