Billigflieger
treten, gehen Hacki, der mich zum Flughafen begleitet hat, und ich instinktiv hinter einer Säule in Deckung. Wir ahnen, dass das, was vor uns liegt - unsere Zukunft -, kein Vergnügen sein wird.
Die Frauen blicken sich suchend um, schütteln missmutig die Köpfe und beschließen dann, erst einmal ein provisorisches Feldlager in der Empfangshalle aufzubauen. Sie lassen ihre Koffer fallen, vertreiben ein paar Teenager von den wenigen Sitzgelegenheiten, rauchen lässig ihre Mentholzigaretten und erzählen sich dabei Dinge, die sie regelmäßig in hysterische Lachanfälle ausbrechen lassen. Wenigstens scheint ihre Stimmung nicht ganz im Keller zu sein.
Ich beobachte die Szenerie und frage mich insgeheim, welche von den drei Frauen die schrecklichste Lache hat. Bei Gabi erinnert das Ganze an Kermit, den Frosch, wenn er wieder einmal einen seiner Asthmaanfälle hat. Veronikas Lachen klingt, als würde irgendwo ein Schimpanse gefoltert. Und Nina - meine Nina - lacht, als hätte sie seit Jahren offene TBC und müsste jetzt eine größere Portion Lungensekret abhusten.
Hacki und ich sehen uns an, und wir bringen es beide nicht übers Herz, unsere sichere Position hinter der Säule aufzugeben.
Gabriele, die Frau von Schröder, wühlt dann in ihrer Tasche und zieht ein Sixpack Dosenprosecco hervor. Die anderen Frauen applaudieren begeistert, bedienen sich, reißen die Dosen auf und stoßen lautstark miteinander an.
»Auf unsere Männer. Die sollen uns erst mal kennenlernen.«
»Genau. Was die können, können wir nämlich schon lange.«
»Der Ballermann wird zur Ballerfrau! Auf Malle!«
Und dann noch einmal alle drei im Chor: »Auf Malle!«
Hacki wirft mir einen panischen Blick zu und wischt sich die Schweißperlen von der Stirn. »Freu dich einfach, dass du dich nochmal ausgetobt hast mit deiner Katie. Damit ist es jetzt nämlich vorbei. Also - wollen wir jetzt?«
Ich nicke ihm entschlossen zu. »Ja, tun wir es. Sehen wir dem Feind ins Auge.«
Dem Feind ? Ich weiß, dass ich es den Frauen, die dieses Wort jetzt vernehmen, schuldig bin, ein paar Takte zum Thema »Liebe« zu verlieren. Weil sie sonst möglicherweise meinen, dass ich herzlos bin. Das stimmt aber nicht.
Es ist nur so, dass Männer und Frauen sehr unterschiedliche Dinge unter Liebe verstehen - und dass sich ihre Ansichten darüber noch viel mehr voneinander unterscheiden:
Frauen denken zum Beispiel, Liebe wäre rosa. Männer gehen eher von einem dunklen Beigeton aus.
Frauen vergleichen eine Hochzeit mit dem Einzug in eine gemeinsame neue, wundervolle Wohnung. Für Männer hat es eher etwas von einer Zwangseinweisung in eine geschlossene Anstalt.
Frauen denken an Schweben. Männer an Fallen.
Frauen freuen sich darauf. Männer finden sich damit ab.
Von daher lasse ich die Frage, warum in Gottes Namen ich Nina überhaupt heirate, nicht gelten. Und sie würde das wohl auch nicht tun. Wir haben uns einfach an den Gedanken gewöhnt. Genauso wie wir uns aneinander gewöhnt haben. Und ich glaube - ja, ich bin sogar der Überzeugung, dass das eine ganze Menge ist.
Von daher habe ich es gar nicht nötig, in irgendwelche verklärenden Gesänge auszubrechen und zu meinen, die Ehe mit Nina wäre das größte Glück auf Erden. Ist es vermutlich nämlich nicht. Es ist einfach in Ordnung. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Hacki und ich treten nun beherzt hinter der Säule hervor und geraten dadurch ins Blickfeld unserer Frauen. Die bringen sofort ihre Beautycases in Anschlag, werfen ihre Kippen auf den Boden und machen sich bereit für den Empfang.
Was dann folgt, sieht ungefähr aus wie eine Szene aus diversen Wildwestfilmen. Auf der einen Seite stehen die US-Kavalleristen in ihren blauen leicht verstaubten Uniformen. Auf der anderen Seite sind die Indianer mit ihrem Federschmuck, den antiquierten Gewehren und den Whiskeyflaschen. Dann entsendet jede Partei einen Emissär, der sich aus der Reihe der Krieger löst und mutig und mutterseelenallein vorwegreitet, um seinen Kontrahenten in der Mitte des Niemandslands zu treffen.
Die beiden Abgesandten sind in diesem Fall Nina und ich. Ich lasse Hacki also stehen und gehe ein paar Schritte vorwärts. Nina wiederum lässt Gabi und Veronika zurück und stöckelt in meine Richtung. Wir nähern uns einander sehr langsam, fast wie in Zeitlupe, und sehen uns dabei furchtlos in die Augen.
Nina ist die Erste, die spricht: »Ganz egal, was du getan hast, Jo. Ich verzeihe dir.«
Geschickter Schachzug. Damit hat sie in
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