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Billon, Pierre - Die fünfte Offenbarung.odt

Billon, Pierre - Die fünfte Offenbarung.odt

Titel: Billon, Pierre - Die fünfte Offenbarung.odt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die fuenfte Offenbarung
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rasch die Hand vor den Mund geschlagen hatte. Denn es war ihr gerade eingefallen: Halb fünf in Ottawa! Da sollte doch Sandrine am Busbahnhof ankommen! Und jetzt war niemand dort gewesen, um sie abzuholen! Sie informierte Thierry in wenigen Worten über die Vereinbarung, die sie am Morgen mit Julien ge-341

    troffen hatte.
    »Soll ich mich darum kümmern? Ich könnte auf einen Sprung nach Rockliffe fahren und ihren Großvater …«
    »Nein, vielen Dank, es ist für mich beruhigender, Sie dort im Krankenhaus zu wissen. Um diese Geschichte kümmere ich mich selbst… Mit fünfzehn ist sie schließlich kein kleines Kind mehr …
    Obwohl, na ja … Jedenfalls werde ich versuchen, einen Tag früher zurückzukommen …«
    Sie legte auf und setzte sich auf den Rand des Bettes, plötzlich wie ausgelaugt. Laurence richtete sich mit verstörter Miene zitternd auf ihre Ellbogen auf.
    »Was ist denn … Es tut mir Leid! Sie hätten nicht…«
    Sie warf einen Blick voller Angst zur Wand hinüber und ließ sich keuchend zurücksinken. Kiersten nahm ihre Hand in die ihren, um sie zu beruhigen.
    »Irgendetwas erschreckt Sie…«
    »Nein, das heißt… Es ist jetzt vorbei! Sie können das nicht verstehen.«
    »In Ihrem Tagebuch erwähnen Sie diese ›Risse‹…«
    »Ja, das stimmt; ich dachte nicht mehr daran, dass Sie es ja gelesen haben. Bisher waren diese Spalten immer leer … Zumindest so gut wie. Aber jetzt war das anders: Ich sah Hände und Arme, die sich bewegten, als wollten sie aus der Wand heraus! Es war grauen-haft. Aber ich glaube fast, dass das ein gutes Zeichen ist.«
    »Was meinen Sie damit?«
    »Es war jetzt lebendig … Sind Sie mir böse, dass ich Sie so überfallen habe? Ich muss Ihnen das erklären …«
    »Ja, gleich, einverstanden. Aber ich muss vorher noch einen Anruf erledigen … Wegen eines Hickhacks mit meiner Tochter! Aber bitte, bleiben Sie liegen! Sie sind ja noch totenblass.«
    Laurence schlug die Augen nieder. Ein schmerzlicher Ausdruck zog über ihr Gesicht wie eine einzelne Welle über eine glatte Was-342

    seroberfläche.
    Kiersten versuchte Alice Balasubramaniam zu erreichen, aber diese war offensichtlich nicht mehr im Büro. Mehr Glück hatte sie in Mont-Laurier; Philippe beruhigte sie: Sandrine habe ihn gerade vorhin vom Obersten Gerichtshof aus angerufen und ihm gesagt, dass ihr Großvater am frühen Abend aus Toronto zurückkomme und sie die Nacht bei ihm in Rockliffe verbringe.
    »Ich sagte ihr dann, dass sie am nächsten Morgen hierher zurückkommen solle«, fügte er hinzu. »Aber ich habe ihr dann schließlich noch erlaubt, dass sie wie gewöhnlich mit deinem Vater im Universitätsclub zu Mittag essen darf …«
    »Sie wird dir entsprechend um den Bart gegangen sein. Aber ist in Ordnung. Und ich hätte sie wirklich anrufen sollen, ehe ich ab-reiste!«
    Erleichtert beendete sie das Gespräch.
    »Möchten Sie etwas trinken?«
    Laurence öffnete die Augen und schaute sie an, als ob sie Mühe hätte, sie zu erkennen. Dann nickte sie mit dem Kopf. »Hat sie meine Frage überhaupt verstanden?«, überlegte Kiersten, während sie zur Minibar ging, um ein Getränk zu holen. Als sie sich wieder umdrehte, war das Bett leer. Laurence saß auf dem Boden, die Beine gegen die Brust gestemmt und den Kopf auf die Knie ge-stützt.
    Unsicher, ob sie sie ansprechen solle, stellte Kiersten das Glas schweigend in Reichweite neben sie. Dann setzte sie sich, einem Impuls folgend, neben Laurence auf den Teppichboden, den Rücken an den Bettrahmen gelehnt. Sie begriff, dass sie jetzt abwarten musste, einfach da sein, schweigen und den gedämpften, unbestimmbaren Lauten zu lauschen, die aus anderen Räumlichkeiten des Hotels zu ihnen ins Zimmer drangen.
    Schließlich vertraute sich Laurence ihr an, mit einer gleichgültigen Stimme, als spreche sie von einer Fremden. Das Raumschiff 343

    Erde durcheile gerade die Sternwolke der Perseiden, sagte sie. Leider aber störe das Lichtermeer von Paris die Beobachtung der Stern-schnuppen, die gerade um diese Zeit verstärkt aufträten. Daher habe sich Fjodor Gregorowitsch für drei Tage zu einem befreundeten Astronomen in das Département Corrèze begeben. Und sie habe sich einfach nicht getraut, an diesem Abend in das Haus in Passy zurückzukehren und allein zu sein in diesem Museum mit den knackenden Geräuschen der hölzernen Vertäfelungen und den Statuen, die im Erdgeschoss Wache hielten.
    »Ich bin gewöhnlich nicht ängstlich«, setzte sie hinzu. »Aber gerade heute

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