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Billon, Pierre - Die fünfte Offenbarung.odt

Billon, Pierre - Die fünfte Offenbarung.odt

Titel: Billon, Pierre - Die fünfte Offenbarung.odt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die fuenfte Offenbarung
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erst gestern Abend passiert, und es scheint ganz so, als seien Sie darüber noch vor mir informiert gewesen!«
    Zum ersten Mal zögerte Jean-Louis. Er warf einen forschenden Blick ringsum auf die übrigen Gäste und beugte sich dann vertraulich zu Kiersten hinüber.
    »Darf ich Ihnen ein Geständnis machen? Ich habe erst heute Morgen davon erfahren, durch die gleichen Leute, denen es im letzten Sommer gelungen ist, Mona-Lisa Peres im Büro von Richter MacMil an unterzubringen. Eine unwürdige Machenschaft, die wir besser gleich hätten unterbinden sollen! Wir waren da nicht auf der Höhe, muss ich zugeben.«
    Es hätte nicht viel gefehlt, und Kiersten wäre weich geworden.
    Aber sie war schließlich darauf vorbereitet, ihr Gegenüber abzuschätzen und sich darauf einzustellen, dass er kein einziges Wort ohne eine ganz bestimmte Absicht sagen würde. Er ging nach einem gezielten Plan vor, dessen Verschlagenheit sie zwar ahnen konnte, dessen Leitlinie ihr aber noch verborgen blieb. Sie hatte das Ge-fühl, dass er sie wie eine Maus behandle, die er in einem Labyrinth herumjage. Aber sei's drum! Sie kannte ja diese Taktik lange genug.
    Was sie jedoch in Wut versetzte, war der Verdacht, dass er sich insgeheim ein Vergnügen daraus machte, sie seine Macht spüren zu lassen und sie auf kleiner Flamme zu rösten.
    Sie rief sich den einzigen Rat ins Gedächtnis, den Laurence ihr gegeben hatte, als sie sich vorhin vor der kleinen Kirche Unsere Liebe Frau, Trösterin der Bedrängten, getrennt hatten: »Vergessen Sie nie, dass Becker nur eine einzige Karte zum Stechen hat: Sandrine. Alle anderen Trümpfe sind in Ihrer eigenen Hand!« Sie fasste sich wieder. »Von welchen ›Leuten‹ reden Sie da?«
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    Er zögerte und seufzte erneut. Selbst die große Gemeinschaft der Mirandisten bleibe nicht verschont von inneren Auseinandersetzungen, vertraute er ihr dann an. Sei das allerdings ein Wunder am Ende dieses Jahrhunderts, an dem die Tugend des Gehorsams der Lächerlichkeit verfalle? Und gebe es nicht selbst im Umkreis des Vatikans Fundamentalisten, die katholischer sein wollten als der Papst? Damit wolle er andeuten, dass sich in der Vereinigungskirche ein geheimer Zirkel gebildet habe als Zusammenschluss der größten Fanatiker unter den Geweihten.
    »Wollen Sie mir damit sagen, dass Sandrine in den Händen dieser Leute ist?«
    »›In den Händen‹? Aber nein! Eine solche Formulierung trifft meine Überlegungen in keiner Weise. Ihre Tochter ist in guter Gesellschaft. Und in Sicherheit, davon bin ich überzeugt. Mona-Lisa ist zwar eine militante Jüngerin und auch etwas exaltiert, wie ich schon sagte, aber absolut nicht fähig … Nein, was mich beunruhigt, sind allenfalls ihre Sympathien, ihre Kontakte zu den ›bis zum Ende gehenden‹ Anhängern der Lehre El Guías, wenn Sie verstehen, was ich damit sagen will.«
    »Nein, nicht so recht.«
    In Wirklichkeit begriff sie ihn sehr gut, und dachte: »So, jetzt kommt er zur Sache!« Sie musste gegen das heftige Verlangen an-kämpfen, jetzt einfach in ihre Handtasche zu greifen, ihre Waffe herauszuziehen und dem Mann ihr gegenüber ohne weitere Verhandlung eine Kugel in den Kopf zu jagen. Allein schon, um ihm zu zeigen, dass er sich zu Unrecht für unüberwindlich hielt… Es schwindelte ihr bei dem Gedanken, dass sie das tatsächlich auch ohne Zögern tun würde, wenn sie sicher sein könnte, damit ihre Tochter zu retten.
    Jean-Louis bestellte bei der Bedienung, die gekommen war, um abzutragen, einen doppelten Espresso. Während sie die Bestellung notierte, warf er ihr einen entnervten Blick zu. Er wartete ab, bis sie 358

    gegangen war.
    Er sei entschlossen, selbst das Unmögliche zu versuchen, um Mona-Lisa zu sprechen und sie zur Vernunft zu bringen, versicherte er dann. Falls es ihm nicht gelingen sollte, direkt mit ihr Kontakt aufzunehmen, würde er es auf dem Umweg über die Mitglieder des Schwarzen Ordens versuchen. Das sei ihm nur mit großem Widerwillen möglich, aber die schwierige Situation müsse den Bruch mit seinen Prinzipien rechtfertigen. Ein solcher Schritt erfordere allerdings höchstes Fingerspitzengefühl. In der Zwischenzeit müsse man unbedingt jede Maßnahme vermeiden, die diese Leute reizen und ihren Verfolgungswahn fördern könnten, der sie wie alle Fanatiker auszeichne. Hatten sie sich nicht jetzt schon eingebildet, Feinde El Guías bereiteten sich darauf vor, die Feier der ›Großen Kommunion des Universellen Geistes‹ zu verhindern? Einer ihrer

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