Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Billon, Pierre - Die fünfte Offenbarung.odt

Billon, Pierre - Die fünfte Offenbarung.odt

Titel: Billon, Pierre - Die fünfte Offenbarung.odt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die fuenfte Offenbarung
Vom Netzwerk:
was offensichtlich ist!«, versetzte sie unwirsch. »Sie sollten sich Gedanken machen über den Symbol-wert dieser Geste!«
    »Welches Symbol? Ich sage es Ihnen wohl besser gleich: Mit Religion und damit verbundenem Schnickschnack habe ich nicht viel 408

    am Hut.«
    »Niemand hier wird versuchen, Sie zu bekehren. In der Mirandistischen Gemeinschaft wird als einzige Form, andere zu überzeugen, das eigene vorgelebte Beispiel akzeptiert. Wenn ich mir eine persönliche Empfehlung gestatten darf, sollten Sie es trotzdem vermeiden, zu sagen; ›Quelle, aus dir trinke ich nicht!‹ Sie werden es nicht für möglich halten, wie viele vordem Ungläubige und Ablehnende den Weg zur Wahrheit gefunden haben, nachdem sie erst einmal ihr Herz den Lehren El Guías öffneten. Angefangen bei mir selbst…«
    Eine leichte Röte war in ihre Wangen gestiegen. »Welch ein Glück, dass wir am Ziel sind«, dachte Thierry. »Viel hätte nicht mehr gefehlt, und die gute Frau hätte mir ihre ganze Lebensgeschichte er-zählt. Mit einem solchen Gesicht ist es allerdings kein Wunder, dass man bei einer Sekte landet.«
    Der Eingang zu der alten Kapelle wurde von zwei Geweihten bewacht. Die Sprechfunkgeräte an ihren Ledergürteln und die verdächtigen Ausbuchtungen im Faltenwurf ihrer Gewänder standen in lebhaftem Gegensatz zu ihrem Aussehen, das an buddhistische Mönche erinnerte. »Die Sicherheitsvorkehrungen sind verstärkt worden«, dachte Thierry mit Unbehagen. »Und das sicherlich nicht nur wegen des erwarteten Zustroms von Anhängern; der Generalstab der Mirandisten hat sich gewiss darauf eingerichtet, dass die Leute von Casus Belli nicht untätig bleiben werden … Da kann man sich ja auf was gefasst machen!«
    Jasmine schritt ihm entschlossen voran, bedeutete ihm jedoch im Inneren der Kapelle, allein weiterzugehen. Im Chor der Kapelle, beleuchtet vom schimmernden Farbenspiel der Glasfenster, stand El Guía in einer grauen Dschellaba und Ledersandalen. Er war gerade in ein Gespräch mir Argos vertieft.
    (Lydia hatte Thierry versichert, dass kein Porträt vom Meister des 409

    Schwarzen Ordens bekannt sei. Man könne ihn aber daran erkennen, dass außer ihm keiner der Geweihten es jemals wagen würde, sich unmittelbar an El Guía zu wenden, ja noch nicht einmal das Recht habe, diesem in die Augen zu sehen. Diese Regeln waren ein Bestandteil der höchsten Stufe der Entsagung. Laurence Descombes wiederum sah darin ein typisch paradoxes Merkmal: D'Altamiranda hielt so selbst jene auf Distanz, die ihm in vielerlei Hinsicht am nächsten standen. In diesem strengen Kastensystem hatte wiederum Jean-Louis Becker einen Rang, der ihn aus allen anderen heraushob.) Thierry schritt auf dem Mosaikboden nach vorn. Es war ihm bewusst, dass er unter anderen Umständen von der Architektur dieses Ortes und seiner geheimnisvollen Aura beeindruckt gewesen wäre.
    El Guía hatte sich umgewandt, um ihn mit offenen Armen und einem warmen Lächeln in seinem weißbärtigen Gesicht zu empfangen. Argos seinerseits war lautlos und wie unmerklich in einen dunkleren Bereich zurückgeglitten. Dennoch hatte der Besucher vorher noch einen kurzen Blick auf ein bartloses Milchgesicht, das keinerlei Ausdruck zeigte, werfen können. »Kein Wunder, dass es kein Fo-to von ihm gibt! Sein Gesicht ist ja leer und wie nicht vorhanden
    – damit hätte sich ein Film fast nicht belichten lassen.«
    »Willkommen hier bei uns, Michel Delanoy!«
    Die Stimme war tief und der Blick freundschaftlich, doch wie verschleiert durch einen alten und unausdrückbaren Schmerz.
    »Danke! Ich bin wirklich froh, endlich angekommen zu sein«, versicherte Thierry mit unüberhörbarem Pariser Akzent. »Hier, von Jean-Louis…«
    El Guía nahm den großen Umschlag entgegen, den er ihm reichte, und warf einen fragenden Blick zu Argos hinüber. Ein fast unmerkliches Kopfnicken bestätigte ihm: Ja, er könne ihn bedenken-los öffnen. Er schlitzte ihn also auf und entnahm ihm zwei be-schriebene Seiten sowie einige Fotokopien und Presseausschnitte.
    Thierry hätte diese Geste als Vertrauensbeweis werten können. Er 410

    betrachtete sie aber als Bestätigung für etwas ganz anderes: Denn etwas früher am Nachmittag hatte er Jasmine, die ihn an der Lan-dungsstelle in Mgarr abgeholt hatte, gebeten, vor einem Laden anzuhalten, damit er sich dort ›eine kleine Stärkung‹ holen könne –
    genauer gesagt, ging es dabei um eine Flasche Whisky. Seine Jacke und seine Reisetasche hatte er dabei auf dem

Weitere Kostenlose Bücher