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Billon, Pierre - Die fünfte Offenbarung.odt

Billon, Pierre - Die fünfte Offenbarung.odt

Titel: Billon, Pierre - Die fünfte Offenbarung.odt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die fuenfte Offenbarung
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verfüge über die Fähigkeit der phänomenalen Empathie, und ich betrachte das als einen Fluch«, versicherte Fjodor, der zu sehr mit der Ordnung seiner Gedanken beschäftigt war, um auf Beckers Sarkasmus einzugehen. »Ich entlade Sie von tiefem Magma
    – Emotionen, Gefühlen, all so was. Und ich nehme es auf mich, wenn auch nicht für lange. Damit sind Sie für kurze Zeit allein von reiner Vernunft erfüllt und der klaren Erkenntnis von Gut und Böse. Es wird die Hölle sein!«
    »Was Sie nicht sagen! Dabei war ich immer überzeugt davon, dass das Empfinden für das Gute oder Schlechte aus dem Herzen kommt, vom Gefühl bestimmt ist.«
    »Völlig absurd! Das wäre das blutige und endgültige Ende jeder Zivilisation.«
    Laurence machte plötzlich einen großen Schritt auf Jean-Louis zu, überwältigt von einer ihr unerklärlichen Gefühlsbewegung.
    »Bitte vergib mir! Ich hätte niemals zugestimmt, dich in eine Falle zu locken, wenn nicht… Aber es geht ja nicht um dich allein, es geht um Gabriella und Sandrine und um all die anderen, lauter Unschuldige! Ich kann da nicht mehr zuschauen, nein, nach Maghrabi kann ich das nicht mehr!«
    Die Augen blind vor Tränen, rannte sie hinaus.
    Fjodor Gregorowitsch schickte einen Blick voller Panik zu Kiersten hinüber, erhob sich dann mit einer Wendigkeit, die man ihm nicht zugetraut hätte, aus seinem Sessel, und lief seinerseits eilends hinter Laurence her.
    »Sie bleiben ganz ruhig da sitzen!«, befahl Kiersten Jean-Louis.
    Dieser musterte sie herablassend. Sie war bleich, und eine gewisse Entmutigung auf ihren Zügen war unübersehbar. Er nahm an, dass ihr erschrocken die Folgen eines Scheiterns ihres Plans durch den 401

    Kopf gingen. In diesem Zustand würde sie nicht zögern, auf ihn zu schießen, um seine Flucht zu verhindern. Mit einem kurzen, gehässigen Lachen breitete er die Arme aus und nahm dann wieder seine überhebliche Haltung auf dem geblümten Sofa ein.
    Fjodor holte Laurence am Ende der Terrasse ein. Mit hängendem Kopf stützte sie die Hände auf die Brüstung.
    »Das geht über meine Kraft, ich schaffe es nicht!«, schrie er sie an. »Ihr ehemaliger ›Freund‹, wie Sie ihn nennen, ist heute ein Ungeheuer! Die absolute Veränderung ins Negative! Sie kennen doch die kosmische Erscheinung der schwarzen Löcher? In denen ganze Galaxien verschwinden könnten? Ich habe Angst bei dieser Fülle von Schändlichkeit!«
    »Angst wovor?«
    »Vor der psychischen Entropie! Was ihn betrifft, habe ich Sie von vornherein gewarnt: Diese erzwungene ›Deprogrammierung‹ kann zu erheblichen und irreparablen Schäden führen. Aber von den Gefahren für mich habe ich bisher nichts gesagt. Es fehlt mir an Mut, das ist's! Fjodor Gregorowitsch Syssojew ist ein Schwächling!«
    »Aber das stimmt doch gar nicht! Dennoch beunruhigen Sie mich. Es war mir nicht bewusst, dass es auch Risiken für Sie selbst gibt.«
    »Sie glauben also an mich? Übrigens sagte ich Gefahren, nicht Risiken. Mit Problemen muss ich schon rechnen.«
    Er begann mit einer wortreichen Erklärung. Um Jean-Louis wirklich ›deprogrammieren‹ zu können, müsste er dazu bereit sein, das, was dabei auf ihn übertragen werde, über einen längeren Zeitraum als üblich zu ertragen. Anders sei eine unumkehrbare Veränderung nicht machbar. Wovor er sich tatsächlich fürchte, sei eine Ansteckung durch den pathologischen Charakter dieser feindseligen, ver-fremdeten Persönlichkeit. Er sei vergleichbar mit einem Chirurgen, 402

    der ohne Handschuhe und Mundschutz einen Patienten mit einer ansteckenden Krankheit operieren müsse.
    »Die Last auf mich nehmen, das kann ich«, fügte er hinzu, während er die beschlagenen Gläser seiner Brille, ohne diese abzunehmen, mit den Fingerspitzen abwischte. »Aber was geschieht, wenn ich sie nicht wieder abschütteln kann, wenn sie mir als dauernde menschliche Bürde bleibt? Verstehen Sie jetzt? Sie müssen mir helfen!«
    »Aber nichts lieber als das! Was kann ich denn tun?«
    »Sie lassen jetzt in Ihrem Kopf einen Film ablaufen mit dieser kleinen Italienerin und dem Schlimmsten, was Sie sich als ihr Los vorstellen können!«
    »Ich begreife. Und ich fürchte, dass mir das leider nicht einmal schwer fallen wird …«
    Sie schloss die Augen. Er machte (bisher hatte er vorsichtig Distanz gehalten) einen Schritt auf sie zu, und sein rundes Gesicht zog sich zusammen, als ob er gleich niesen müsse.
    »Es reicht jetzt«, sagte er schließlich und schüttelte sich dabei.
    »Ich bin

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