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Billon, Pierre - Die fünfte Offenbarung.odt

Billon, Pierre - Die fünfte Offenbarung.odt

Titel: Billon, Pierre - Die fünfte Offenbarung.odt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die fuenfte Offenbarung
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einem Würgeisen er-drosselt wurden.
    »Was anders daran ist«, sagte sie schließlich, »ist weniger die Form der Gewalt, sondern die Absicht, in der sie hier angewendet wird …
    diese Unmotiviertheit…«
    »Unmotiviertheit würde ich das allerdings nicht nennen, wenn ein wehrloser Mensch zu Tode gequält wird und man davon ein Video aufnimmt, um so aus seinem Leiden Profit zu schlagen. Die Absicht ist zwar ein Gesichtspunkt zur Festlegung des Grades an Schuld bei einem Täter, aber den Charakter eines Verbrechens selbst kann sie eigentlich nicht verändern. Ob man die Folter nun an einem Kriegsgefangenen anwendet, um ihm Informationen zu entreißen, oder an einem vom Glauben Abgefallenen, um ihn dazu zu bringen, seinem ›Irrglauben‹ abzuschwören – in beiden Fällen muss man sie als etwas Verabscheuungswürdiges verurteilen.«
    Er schwieg, als der erste Gang serviert wurde, und kostete den dazu bestellten französischen Weißwein mit der gleichen Aufmerksamkeit, die er vorher der juristischen Diskussion gewidmet hatte.
    »Wie macht er das bloß«, fragte sich Kiersten. »Gut, er redet hier von Dingen, die er nie gesehen hat, das ist wesentlich. Und es ist auch besser für ihn – er würde sonst vielleicht keinen Schluck hin-unterbringen…«
    118

    »Wenn du es genau wissen willst…«, fuhr Kiersten fort, nachdem der Kellner sich wieder entfernt hatte. »Mich stoßen alle diese Arten von Folterungen ab, aber was mir noch mehr zu schaffen macht, ist die Vorstellung, dass dieser Senator und seine feinen Freunde sich daran aufgeilen, wie ein junges Mädchen bestialisch abgeschlachtet wird. Immerhin gehen die Täter selbst ein Risiko ein
    – aber die ›Verbraucher‹ wie Murdstone brauchen nichts zu be-fürchten. Ich glaube eigentlich, dass es genau das ist, was mich so in Wut versetzt – mehr als alles andere!«
    Der Richter rieb sich befriedigt die Nase: Jetzt hatte er seine Tochter da, wo er sie haben wollte.
    »Dein Irrtum besteht darin, dass du diese Snuffs – welch barba-rische Bezeichnung! – als ganz neue Art von Verbrechen betrach-test, als eine Ungeheuerlichkeit sondergleichen. Damit setzt du dich der Versuchung aus, mit dem Einzelfal außergewöhnliche Maßnahmen zu rechtfertigen … Du musst dich aber fragen, ob das, was du hier bekämpfst, nicht eher eine Ausweitung bereits bestehender Ten-denzen ist, ein neuer, scheußlicher Höhepunkt eines allgemeinen Übels, unter dem wir schon seit einigen Jahren zu leiden haben.«
    »Was meinst du damit?«
    »Das menschliche Leiden als Schauspiel.«
    Zu Kierstens Überraschung, die wusste, dass ihr Vater nur höchst selten ins Kino ging, legte er überzeugend dar, dass viele der neusten Filme, darunter gerade die erfolgreichsten, sadistische Gewaltszenen enthielten, die keineswegs auf den Abscheu der Zuschauer zielten, sondern auf deren Vergnügen daran. Der Hauptschurke er-leide darin oft einen grässlichen Tod, genüsslich in Szene gesetzt als gerechte Strafe.
    »Aber das ist Fiktion, nach allen Regeln und Konventionen dieses Genres!«, wandte sie fast etwas beleidigt ein. »Du kannst das nicht vergleichen mit…«
    »Ich weiß, ich weiß«, wiegelte er ab. »Reden wir also von diesem 119

    Vulkanausbruch in Kolumbien und der kleinen Omeyra, von der man nur noch den aus den Schlammmassen ragenden Kopf sah …
    Zwei Tage dauerte ihr Todeskampf, unter den Augen der Kamera.
    Diese Bilder gingen um die ganze Welt. Räumen wir ein, dass die ersten sechs oder sieben Sekunden visuel er Bestandteil einer Nach-richtenmeldung waren. Aber die weiteren fünf, zehn, zwanzig Sekunden? Haben wir daraus etwas Neues erfahren? Es gab nur einen einzigen Grund dafür: die Sensation!«
    »Du sprichst von diesen Dingen, als ob …«
    »Als ob sie mir vertraut wären?«, seufzte er. (Er mochte keine Sätze, die in der Luft hängen blieben.) »Leider sind sie mir vertraut geworden, zwangsweise. Der Oberste Gerichtshof wird in zwei Monaten die Klage verhandeln, die der Fernsehsender CTV gegen den Kanadischen Fernsehrat angestrengt hat wegen der Neuregelung zu Gewaltdarstellungen im Fernsehen.«
    »Das menschliche Leiden als Schauspiel…«, wiederholte sie nachdenklich. »Gewiss, aber der Todeskampf dieses kleinen Mädchens wurde verursacht durch eine Naturkatastrophe, während der Todeskampf der Opfer auf einem Snuff durch die Folterer bewusst insze-niert wird. Jedem Zuschauer muss doch der Unterschied klar werden!«
    »Wie ihm der Unterschied zwischen Fiktion und

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