Billy Elliot - I will dance
zur Seite drängen, dass man sie nicht mehr sehen konnte, aber Dad schob ihn weg und machte ein paar Schritte auf mich zu. Der Wachmann packte ihn und Dad holte aus, er schlug nicht richtig zu, es war eher so eine Art Ausfall, als wäre Dad betrunken oder verrückt oder so was. Und er weinte. Ich schrie: »Dad! Dad!« Immer wieder, und er kam auf mich zugestolpert. Es war entsetzlich. Der verdammte Drahtzaun. Dad stürzte auf den Zaun zu und ich versuchte meine Hände durchzustecken, um Dad zu berühren. Ich wollte meine Arme um ihn legen. Er lehnte am Zaun, die Tränen liefen ihm das Gesicht runter, und er konnte kaum sprechen.
»Ich tu’s für den kleinen Billy«, sagte er. »Scheiß Billy! Du kannst jetzt nicht einfahren, jetzt nicht!«
»Guck uns doch mal an, Mann! Was haben wir dem armen Knirps schon zu bieten?« Dad war völlig aufgelöst, alles Rotz und Tränen, und ich heulte jetzt auch und alles. Was für ein Paar! Ich konnte nicht anders. Er war doch mein Dad, oder?
»Du darfst das nicht tun, nicht jetzt. Nicht nach so langer Zeit. Nicht nach allem, was wir durchgemacht haben.«
»Kann sein, dass der Junge ein verdammtes Genie ist«, sagte er.
Er trat zurück und wischte sich die Nase ab. Am Ärmel hing eine Schleimspur. Am liebsten hätte ich Dad in die Arme genommen, um ihm zu sagen, dass alles in Ordnung sein würde.
Was wusste ich schon! Ich verstand nichts. »Bitte, Dad.«
»Tut mir Leid, mein Sohn. Tut mir Leid.«
»Dad, bitte…«
»Wir sind erledigt, mein Sohn. Was für eine Chance haben wir denn noch? Geben wir wenigstens dem Jungen eine Chance, verdammt noch mal?«
»Er ist noch ein Kind, er ist erst zwölf, meine Güte! Und wo bleibe ich? Du darfst das nicht tun. Wir werden Geld für ihn auftreiben, wenn es so wichtig ist. Wir werden ihm was besorgen. Aber bitte, komm wieder raus, Dad. Bitte! Glaubst du, er wird stolz auf dich sein, wenn du das tust, glaubst du das?«
Einige Leute kamen angerannt. Robert Martin und Colin Simons von der Gewerkschaft. »Was soll das, Tony?«
»Schon gut, er kommt wieder raus. Stimmt’s, Dad?« Dad lehnte bloß am Zaun und sagte: »Tut mir Leid, tut mir Leid, tut mir Leid.« Immer wieder. »Los, hol ihn da raus.«
»Ah ja. Mach ich. Mach ich.« Und ich holte ihn raus.
Er war gar nicht in der Lage zu arbeiten, sogar die Bosse konnten das sehen. Sie wollten nicht, dass jemand im Schacht einen Nervenzusammenbruch bekam. Das macht sich nicht gut in der Öffentlichkeit. Sie ließen ihn hinten raus, weit weg von den Massen. Das war in ihrem und in unserem Interesse. Später, als wir im Wohnzimmer Tee tranken, versuchte Dad mir alles zu erklären, aber um ehrlich zu sein – einen richtigen Sinn ergab das alles nicht für mich. Dad konnte sich noch nie besonders gut ausdrücken, aber jetzt brachte er fast gar kein Wort raus. Wenn ich es nicht besser gewusst hätte, hätte ich ihn für betrunken gehalten. Aber trotzdem brachte er mich zum Nachdenken. Was Mam betrifft. Das stimmte – sie hätte Billy tanzen lassen. Ihr wäre egal gewesen, wer sich was dabei gedacht hätte, und wie Dad gesagt hatte, sie hätte mir niemals erlaubt, Billys Tanzlehrerin so grob aus dem Haus zu schmeißen.
Okay, das war schon ein bisschen übertrieben gewesen damals, doch das konnte man mir nicht verdenken. Aber als ich meinen Dad in dem Zustand sah, kam ich ins Grübeln. Warum? Weil du immer denkst, dein Dad, der kriegt das hin, der hat alles im Griff. Also, dein Dad weiß immer, was Sache ist, was zu tun ist, wie es zu tun ist. Na gut, in letzter Zeit war ich ziemlich stinkig gewesen, weil er in meinen Augen ein nutzloser alter Sack war, ich mochte seine Art nicht und das. Aber er war immer noch Dad, er war immer noch verantwortlich für alles. Jetzt schien er das nicht mehr zu packen. Und das bedeutete, dass ich dran war. Irgendwie. Ich musste einspringen, um die Sache zu klären. Da kommt man ins Nachdenken. Aber. Aber. Was hatte er sich für eine scheiß Zeit zum Durchdrehen ausgesucht! Was hatte sich Billy für eine scheiß Zeit ausgesucht, um Balletttänzer werden zu wollen! Also, ich hatte versprochen zu helfen. Billy das Tanzen erlauben ist eine Sache. Aber dafür Geld aufbringen, ist was total anderes. Wie zum Teufel sollten wir das hinkriegen?
George
Ich sagte: »Ballett?«
»Ballett«, sagte Tony.
»Mann, Tony.« Ich guckte zu Jackie rüber. »Du bist verdammt verzweifelt, was?«
Das war in der Glocke. Da hockten die beiden. Jackie sah aus, als
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