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Bin ich hier der Depp

Bin ich hier der Depp

Titel: Bin ich hier der Depp Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Wehrle
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Mitarbeiter wecken könnte, hat diese verkappte Forderung freies Geleit. Scheinbar wird die Mitarbeiterin ja gar nicht zur Arbeit gezwungen – sie greift freiwillig danach. Und ihr Chef hat mal wieder ein Problem weniger.
    Hamsterrad-Regel: Einige Chefs treten Mitarbeitern in den Hintern. Andere loben sie. Die zweite Methode ist oft schmerzhafter.
    Deppen-Erlebnisse
    Mein Chef, der 360-Grad-Lügner
    Seit ein paar Jahren führt unsere Firma alle 24 Monate ein 360-Grad-Feedback durch, bei dem Mitarbeiter ihre Chefs beurteilen dürfen. Offenbar ist es für die Karriere wichtig, dass die Daumen der Mitarbeiter nach oben zeigen. Im Vorfeld der letzten Bewertung warf sich mein Chef ins Zeug wie ein Politiker im Wahlkampf: Er versprach, die Abteilung werde aufgestockt und die Möglichkeit zur Arbeit aus dem Homeoffice erweitert. Überhaupt taute das Klima auf, er nahm sich Zeit für Gespräche und winkte Urlaubswünsche durch.
    Das kam gut an – offenbar hatte er unsere Bedürfnisse doch im Blick. Und so urteilten wir milde über seine Qualitäten als Chef (obwohl von »Qualitäten« kaum die Rede sein konnte!). Tatsächlich schnitt er bei dem Feedback im Vergleich gut ab und wurde von der Geschäftsleitung als Führungskraft mit Potenzial eingestuft. Der Politiker hatte seine Wahl gewonnen!
    Was jedoch ausblieb, waren die versprochenen Reformen. Homeoffice? »Noch nicht möglich!« Aufstockung der Belegschaft? »Der Etat ist blockiert.« Dem künstlichen Frühlingslüftchen folgte eine Eiszeit. Unser Chef hatte uns gelinkt. Es war ihm nur um eine gute Beurteilung, nicht um unsere Bedürfnisse gegangen.
    In einem Jahr findet das nächste 360-Grad-Feedback statt. Und ich weiß jetzt schon, welche Bewertung ich ihm in »Glaubwürdigkeit« geben werden – die schlechteste!
    Michael Petersen, Hotelfachmann
    Wie mich meine Firma vor die Tür schikanierte
    Ich arbeitete in der Niederlassung einer großen Krankenkasse. Der Vorstand hatte ein Sparprogramm beschlossen. Ich stand wohl auf der Abschussliste. Plötzlich war nicht mehr mein Abteilungsleiter, sondern ein Bereichsleiter für mich zuständig. Er arbeitete in der 100 Kilometer entfernten Zentrale. Jeden Tag musste ich für ihn ein Arbeitsprotokoll schreiben, um nachzuweisen, dass ich nicht nur Däumchen gedreht hatte.
    Diese Anforderung war reine Schikane und kaum umsetzbar: Wer weiß um 17 Uhr noch, womit er die Zeit zwischen 10.15 und 10.30 Uhr verbracht hat? Einmal schrieb ich für einen solchen Zeitraum: »Kundentelefonate.« Daraufhin bekam ich eine Abmahnung. Der Bereichsleiter hatte meine Telefondaten eingesehen und festgestellt, dass in dieser Zeit kein Gespräch stattgefunden hatte.
    Also ging ich dazu über, mein Protokoll wie einen Live-Ticker zu führen: alle zwei Minuten ein neuer Eintrag. Aber weil ich pausenlos protokollierte, fehlte mir die Konzentration für die eigentliche Arbeit. In eine Kostenbewilligung rutschte mir ein Fehler. Und schon gab’s die zweite Abmahnung.
    Um mich endgültig rauszukicken, legte der Bereichsleiter eine Schikane nach: Als einzige Mitarbeiterin bekam ich erst morgens um 8 Uhr mitgeteilt, wo ich den Arbeitstag verbringen sollte, ob in der Niederlassung oder der Zentrale. Jeden Morgen lief ich ins Ungewisse. Die Fahrt zum Hauptsitz dauerte 90 Minuten.
    Jeder Tag in der Zentrale war ein Alptraum. Abends musste ich meine Arbeitsprotokolle mit dem Bereichsleiter durchgehen. Er benahm sich wie die Axt im Wald: brüllte, tobte, trat mich mit Worten. Morgens zitterte mein ganzer Körper, wenn ich mal wieder die Mail vorfand: »Heute sind Sie in der Zentrale!«
    Nach einem halben Jahr zog mich mein Hausarzt aus dem Verkehr. Es folgte eine fadenscheinige Kündigung der Firma. Vor Gericht scheiterte ich, weil ich kein Mobbing-Tagebuch vorlegen konnte. Aber wie hätte ich eines schreiben sollen? Ich war ja mit meinem Arbeitsprotokoll ausgelastet!
    Ida Illgner, Sachbearbeiterin

    [65] sueddeutsche.de, 75 Millionen Urlaubstage verschenkt, 11.05.2010
    [66] Meckel, Miriam, Das Glück der Unerreichbarkeit. Goldmann, 2009

Depp im Web: Mein Boss, der Facebook-Freund

In diesem Kapitel erfahren Sie unter anderem …
warum laut Umfrage drei von vier Führungskräften in ihren Mails lügen,
weshalb ein Mini-Problem, das man per Mail lösen will, zum Maxi-Problem auswächst,
welche Folgen es haben kann, seinen Chef zum Facebook-Freund zu machen
und wie ein Bewerber von googelnden Personalern mit einem Nazi verwechselt wurde.
    Münchhausen lässt

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