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Bin isch Freak, oda was?!: Geschichten aus einer durchgeknallten Republik (German Edition)

Bin isch Freak, oda was?!: Geschichten aus einer durchgeknallten Republik (German Edition)

Titel: Bin isch Freak, oda was?!: Geschichten aus einer durchgeknallten Republik (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Möller
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sie, doch schauen Sie nur: Geierchen prescht aus der Tiefe des Raums in die gegnerische Hälfte, nimmt im Lauf den Ball an und führt ihn sicher an der Verteidigung vorbei bis zum Strafraum. Dann zieht er mit Vollspann ab: »Eben, mir schmeckt et einfach so jut!«
    Was für ein Schuss von Rolf Geier, wertes Publikum – ob die etwas wacklige Frau Herrmann den Ausgleich verhindern kann?
    »Über Geschmack lässt sich bekanntlich schwer streiten«, sagt sie und setzt zum Sprung in die linke Ecke an. »Aber ist dein Wunsch nach Genuss Grund genug, andere zu töten?«
    Eine wahrhafte Glanzparade, doch im letzten Moment rutscht ihr der Ball von den Fingern und rollt ins Aus.
    »Andere?«, will die Schiedsrichterin wissen und übergibt Alex den Ball für den Eckstoß. Der nimmt Anlauf und zwirbelt das runde Leder in gefährlichem Bogen vor das Tor des FC Tofu.
    »Sie wollen ja wohl kaum Menschen mit Tieren gleichsetzen«, sagt er – das 1:1 scheint nun unvermeidbar.
    »Nicht gleichsetzen«, entgegnet Frau Herrmann, doch schauen Sie nun, meine Damen und Herren, wie ihr Rolf Geier unerwartete Unterstützung leistet: Stürmerfoul!
    »Dit muss man schon sagen, ooch Tiere ham Jefühle«, räumt er ein und fügt dann hinzu, dass es sich bei den meisten unserer Nutztiere schließlich um hoch entwickelte Säugetiere handele.
    »Genau«, steigt die Unfrisierte nun wieder ein und fängt den Ball sicher vor der Torlinie. »Auch Tiere haben ein zentrales Nervensystem und ein Gehirn, mit dem sie Leid von Freud unterscheiden können. Warum also sollten sie weniger Schutz genießen als wir?«
    Erstaunlich, meine Damen und Herren, welch unerwartetes Tempo hier vorgelegt wird!
    Damit, liebe Zuschauerinnen und Zuschauer, befindet sich Frau Herrmann wieder im sicheren Ballbesitz und stürmt über die Mittellinie auf das Tor von Schweinerei United zu. »Jeder sollte essen können, was er will«, holt sie zum Schuss aus, »aber nicht, wen er will.«
    Der Ball donnert ins Tor, der Keeper ist machtlos. 2:0 für den FC Tofu! Ist das dieselbe Frau Herrmann, die noch vor wenigen Minuten in ihrem kalten Tee gerührt hat? Jetzt scheint sie warmgelaufen zu sein und will schon zum nächsten Angriff ansetzen, doch dann taucht der Kellner auf.
    »Am besten essen wir erst einmal«, sagt Frau Juhnke und pfeift damit offiziell zur Halbzeitpause ab.
    Beschwingt durch ihren Vorsprung, wünscht uns Frau Herrmann einen »Guten Appetot!«, was die Spieler der anderen Mannschaft nicht besonders witzig finden.
    »Ihr habt damit angefangen«, erinnert sie. »Außerdem bedeutet jeder neue Vegetarier, dass unzählige Tierleben verschont und massiv CO 2 eingespart wird.«
    »Also hören Sie mal«, pfeift Frau Juhnke das Spiel unvermittelt wieder an, »Menschen haben schon immer Tiere gegessen. So falsch kann das ja wohl nicht sein!«
    Unbeeindruckt von der Tatsache, dass sich die Unparteiische in das Spielgeschehen einmischt, schluckt Frau Herrmann in aller Seelenruhe einen Happen Risotto runter, bevor sie die Beine wieder in die Hand nimmt und zum Gegenangriff bläst.
    »Tradition war noch nie ein guter Ratgeber«, sagt sie ruhig und fängt den Ball vor dem Tor ab. Damit sei immerhin auch die Sklaverei über Jahrhunderte legitimiert worden.
    »Na jut«, schaltet sich nun Geierchen ein, »dass jemand keene Leichenteile essen will, versteh ick ja … irgendwie. Aber warum ooch keene Milch, keen Käse, keene Eier?«
    Lächelnd nimmt die Spielerin des FC Tofu diese Steilvorlage mit der Brust an und erklärt, in welchem Ausmaß Kühe, Kälber und Kücken unter der massenhaften Produktion von Milch und Eiern zu leiden hätten. Dann dribbelt sie an der sprachlosen Abwehr von Schweinerei United vorbei und holt erneut zum Torschuss aus. »Warum auch sollten wir die Babynahrung einer anderen Spezies zu uns nehmen?«
    »Weil sie wertvolles Kalzium enthält«, schmeißt sich Alex dazwischen und kommt fast an den Ball heran.
    »Nicht so viel wie Sojamilch«, legt Frau Herrmann nach, und damit ist das 3:0 besiegelt.
    Doch nun greift Chrissi in die Trickkiste, schnappt sich den Ball, bevor der FC Tofu wieder neu formiert ist, und stürmt auf das Tor zu. »Das kann auch wirklich nur jemand sagen, der keinen Hunger leidet«, holt sie aus und zieht ab. »Erst kommt bekanntlich das Fressen, dann die Moral.«
    »Stimmt«, bestätigt Frau Herrmann den Spielstand von 3:1, meint dann aber, dass mit dem Soja, das als Tiernahrung verwendet wird, wesentlich mehr Menschen versorgt werden

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