Bin isch Freak, oda was?!: Geschichten aus einer durchgeknallten Republik (German Edition)
noch, hä? Kommste nachher ma zu mir, hab da vielleicht ’n heißen Tipp für dich …«
Ich atme tief durch und schaue an die Decke. Oh Herr: Wenn es dich entgegen aller Wahrscheinlichkeit doch geben sollte, bitte, bitte!, erlöse uns von diesem Typen und führe mich dieses Jahr nicht schon wieder in Versuchung, ihm nachts die Luft aus den Reifen zu lassen – denn für solche Scherze bin ich langsam wirklich zu alt. Weil mir in diesen Momenten gern mal der Geduldsfaden reißt, hat Sarah sich angewöhnt, unauffällig nach meiner Hand zu greifen, damit ich mich wieder beruhige. Ist ja auch besser fürs Herz. Außerdem gibt es vermutlich in jeder Sippe eine solche Stressbacke, und eines muss man den Treffen mit Tante Günther lassen: Langweilig wird es nie!
Als wir uns zum Essen setzen, hält sich das Erstaunen über meine sonderbaren Nahrungsmittel genauso in Grenzen wie meine Abneigung gegenüber dem Leichenschmaus, und so beginnt ein gemütliches und ausgelassenes Festmahl.
»Also, Flippo«, sagt Günther nach einer Weile und stopft sich vorm Weitersprechen noch einen halben Kloß in den Mund. »Deine Mutter sacht ja, dat du noch immer nachm Job suchst.«
Im Raum herrscht gefräßige Stille, was Onkel Günther als Zustimmung zu deuten scheint.
»Isch hätt da zwei Vorschläge.« Schmatzend wischt er sich den Mund ab und klemmt die Serviette dann wieder in seinen Hemdkragen. »Quatschen kannze doch, nä?«
Ich zucke mit einer Schulter, das sollte als Antwort reichen.
»Wat hälste denn davon, wenn de für meine Agentur mal ’n paar Versischerungen unters Volk bringst?«
Meine Geschwister sind die Ersten, die bei seinem Vorschlag in Gelächter ausbrechen, dann kann auch ich mir bei dem Gedanken, als Herr Kaiser aufzutreten, ein Lachen nicht verkneifen.
»Macht ihr euch bloß lustig«, unterbricht uns Patrizia, »der Günther verdient damit gutes Geld und kann sich jedes Jahr ’n tollen Wagen gönnen …«
»Und was ist die andere Möglichkeit?«, frage ich Günther so ernst wie möglich.
»Isch fang ma so an«, sagt er ruhig, lehnt sich zurück und faltet seine mächtigen Hände auf dem Scheitelpunkt seiner Wampe. »Et war Neunzehnhundertsiem… nä: achtnsippzisch, isch so am Studieren dranne – janz frisch in Jöttingen, nä? –, da kommt so ’n Tüpp bei misch bei und sacht so: Jünther, du bist doch nisch janz blöd. Isch so: Nisch janz, nä?« Mein Onkel lacht laut und setzt seine Geschichte fort, bis er endlich bemerkt, dass ich mir das Etikett meiner Bierflasche durchlese. »Hört der Bengel mir noch zu?«
»Was? Jaja!«, lüge ich ihn an. »Du so 1978 am Studieren, da kommt so ’n Tüpp …«
»Et jeht nisch um den Tüppen!«, bellt Günther mich an, und damit reißt mein Geduldsfaden endgültig.
»Worum geht’s denn dann, Günni? Komm doch mal zum Punkt!«
»Philipp, bitte!«, pfeift mich meine Mutter zurück. »Vielleicht kann der Günther dir ja helfen?« Fürsorglich beugt sie sich zu mir herüber und streichelt meine Hand.
»Ummet kurz zu machen«, nimmt der Kölner das Gespräch wieder auf und schüttelt lässig seine goldene Armbanduhr, »wenn de keine Lust auf Versischerung hast, dann können dir meine Freunde von der Verbindung sischer gern weiterhelfen – stramme Burschen wie du sind da immer jern jesehen!«
Stille kehrt wieder ein, wieder sind die Blicke auf mich gerichtet. Die Mitglieder meiner Familie wissen genau, was ich von Günthers Logenbrüdern halte. Und diese Freaks soll ich jetzt auch noch um einen Job anbetteln? Na warte, Freundchen, diesen Vorschlag wirst du bitter bereuen!
»Das ist eigentlich ’ne ganz gute Idee«, antworte ich ruhig, lächele und lasse Günther dann mit Genuss ins offene Messer laufen. »Aber leider steh’ ich nicht auf Männer. Darf man da auch als Hetero mitspielen?«
»Wat? Im Gegenteil!«, sagt Günther entrüstet, knallt sein Bierglas auf den Tisch und verhält sich genauso bescheuert, wie von mir erhofft. »Schwuchteln ham bei uns nix verloren!«
Lauthals protestieren alle am Tisch über seine Einstellung. Günther redet sich um Kopf und Kragen und beendet sein halbseidenes Statement dann sinngemäß mit der Aussage, es könne ja jeder machen, was er wolle, solle dann aber eben auch sein eigenes Netzwerk gründen. Nun hilft auch Sarahs Hand nicht mehr.
»Also hör mal, ihr grenzt ganz bewusst Menschen aus, die euch nicht in den Kram passen«, pflaume ich Günther an, »und teilt den deutschen Kuchen dann unter euch auf. Das ist
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