Binde Deinen Karren an Einen Stern
kommen‘, wenn auch mitunter nicht reibungslos. Jeder Mensch hat dies schon zahlreiche Male erfahren; und sollte es einer vergessen haben, könnte es hilfreich sein, sein Gedächtnis aufzufrischen.
In den ersten beiden Stufen wird also die Idee von einer vorhandenen „Urwirksamkeit“, die das Leben des Menschen „trägt“, sowie von einer vorhandenen „Selbstwirksamkeit“, mit der jedermann grundsätzlich ausgestattet ist, herausgearbeitet. Wobei kein Zweifel daran besteht, dass die Überzeugung eigener Selbstwirksamkeit das Selbstvertrauen einer Person gründlich stärkt, genauso, wie die Überzeugung von einer Urwirksamkeit im eigenen Leben das Urvertrauen einer Person stärkt.
Die Entscheidung zum Glauben
In Bezug auf die nächsten beiden Stufen hat ein Berater mehr und mehr zurückzutreten und sich auf behutsame „Denkanstöße“ zu beschränken. Ein Leser im „Selbstversuch“ jedoch möge die angebotenen Denkanstöße mit sich in die Stille hineinnehmen und ihnen dort – Raum gewähren.
Stufe 3:
Als ein „metaphysisch Angesprochener“ soll sich der Ratsuchende direkt mit seinem „Ansprechpartner“ auseinandersetzen. Vier Gedanken von Viktor E. Frankl können im Rahmen einer therapeutischen Begleitung dabei richtungweisend sein:
„Eigentlich kann man nicht von Gott, sondern nur zu Gott sprechen.“
„Alle Werte konvergieren zu einem einheitlichen Punkt hin, einer höchsten Wertperson.“
„Gott ist der Partner unserer intimsten Selbstgespräche.“
„Echte Religiosität hat nicht Triebcharakter, sondern Entscheidungscharakter.“
Da man eigentlich nicht
von
Gott sprechen kann (weil Gott dafür zu groß und unser Begreifen dafür zu klein ist …), empfiehlt sich im Beratungsgespräch diesbezüglich größte Zurückhaltung. Doch wenn alle Werte zu einem höchsten Wert bzw. einer höchsten Wertperson hin konvergieren, dann ist jede Begegnung mit Werten, zu der man einen Ratsuchenden stimulieren kann, eine Begegnung zwischen ihm und Ihm.
In diesem Zusammenhang ist es gerade für Ratsuchende, deren Urvertrauen irgendwann im Laufe ihres Lebens verschüttet und von ängstlich und pessimistisch gefärbtem Misstrauen gegenüber der Welt verdrängt worden ist, heilsam, ihren „Werte-Horizont“ aufzustocken. Manchmal genügen meditative Übungen oder Exerzitien. Manchmal ist eine Beschäftigung mit kulturellen Werten besser als jedes Beratungsgespräch. Wenn die Betreffenden malen, dichten, singen, tanzen, lesen, wenn sie (konkret oder in ihrer Fantasie) Berge besteigen, Bauwerke besichtigen oder auf Seen hinaussegeln, spüren sie wieder zaghaft den „Puls der Schöpfung“, ahnen sie wieder ihre Eingebundenheit darin. Haben sie das Glück, in solch einem kostbaren Moment allein mit sich zu sein, unabgelenkt von diversen Störungen, banalen Plaudereien, Handy-Geklingel etc., kommt es vielleicht zu jenem intimen Selbstgespräch, das den Stellenwert eines Gebetes hat. Und vermögen sie wieder zu beten, in tiefster Ehrlichkeit und Einsamkeit, hat sich ihr Bezug zur Transzendenz erneuert.
Stufe 4:
Das alles kann eine humane Psychotherapie wie die Logotherapie einleiten und ins Rollen bringen. Nur eines kann sie nicht: einem Ratsuchenden die Entscheidung abnehmen. Denn das Urvertrauen ist im bewussten Leben nur per Grundentscheidung wiederzugewinnen. Es ist uns mitgegeben von Anfang an, es durchwebt die unbewussten Träume in der Wiege unseres Daseins und es durchzieht unser ganzes Leben wie ein roter Faden zwischen zwei Unendlichkeiten – doch wenn der Faden gerissen ist, verlangt es einen Entscheidungsakt, ihn wieder zu knüpfen. Zum Glauben wird man nicht getrieben, von niemandem, und schon gar nicht von einem Berater. Vielleicht ist es der letzte Dienst eines solchen, den Ratsuchenden darauf aufmerksam zu machen, dass da eine vierte Stufe ist, die dieser ersteigen kann,
wenn er will.
Wenn er sich durchringt, ein für allemal abzustreifen, was ihm an Vertrauensbrüchen von seinen Mitmenschen angetan worden ist, um selber einen Vertrauensvorschuss zu leisten auf absolut Vertrauenswürdiges hin. Zum Erklimmen der 4. Stufe muss sich der Ratsuchende aus Eigenem entschließen. Doch oben wartet das Verlorene auf ihn.
Lange Zeit galt eine Berührung zwischen Psychotherapie und Seelsorge als „Stilbruch“. Seit Sigmund Freud die Religion als eine „Zwangsneurose der Menschheit“ bezeichnet hat, waren beide Disziplinen auf Distanz bedacht. Die Psychotherapeuten kümmern sich um die
Psyche
des
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