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Binding, Tim

Binding, Tim

Titel: Binding, Tim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fischnapping
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sie glatt durch dich hindurchsehen, als wüsste
sie, was du dachtest, was du vorhattest. Ich hob den Kescher an die Oberfläche
und hievte sie aus dem Teich. Sie wehrte sich nicht mal. Sie akzeptierte ihr
Schicksal, nahm es an, genau wie diese Christen, als sie den Löwen zum Fraß
vorgeworfen wurden, genau wie die Nonnen in The Sound of Music, weil sie glaubte. Rump hatte
recht. Sie hatte etwas Besonderes an sich, etwas, das nicht von dieser Welt
war. Ich hielt den Kescher über die Box und ließ sie hineingleiten. Ich
schwöre, als sie ins Wasser tauchte, hob sie den Kopf und blickte mich an,
nicht wütend oder ängstlich, sondern so, als würde sie mir verzeihen. Beinahe
hätte ich sie prompt zurück in den Teich geworfen, aber Michaelas Versprechen
ging mir einfach nicht aus dem Kopf. Ich schloss den Deckel, verriegelte ihn.
    »Es dauert nicht lange«, sagte ich zu ihr. »Ich schwöre
beim Grab meiner Mutter. Es dauert nicht lange.« Ich holte das Handy hervor,
wählte die Nummer.
    »Wo bleibst du denn?«, sagte Michaela.
    Ich ging nicht darauf ein. »Mach das Tretboot seeklar. Die
Sache läuft.«
    Ich hatte noch eine Kleinigkeit zu erledigen. Ich zog den
in Plastikfolie eingepackten Erpresserbrief aus der Gesäßtasche. Ich riss die
Folie weg, stellte den Brief aufrecht auf den Schoß des guten alten Buddha und
zwängte mich durchs Gebüsch zurück zum Zaun. Der Rückweg war schwieriger. Ich
musste die Box auf dem Zaun mit einer Hand balancieren, mich mit der anderen
hochziehen, ganz vorsichtig, damit ich nicht die Box fallen ließ und der Fisch
im Gestrüpp landete, aber ich schaffte es, schaffte es, mich über den Zaun zu
hängen und die Box sicher auf die Erde zu setzen, schaffte es, weil der Fisch
ein Koi war, wie Torvill einst ein Koi gewesen war, anmutig und lebendig
schwimmend, mitten hinein in das Herz eines Mannes.
    Ich nahm die Box, ging zum Strand. Michaela saß im
Tretboot, das im Wasser dümpelte, und blickte aufs Meer, wieder so, dass ihr
Gesicht nicht zu sehen war. Wir hatten es durchgezogen. Ich hatte den Sack
zugemacht.
    »Al?« Jemand rief meinen Namen.
    Ich drehte mich um. Die Frau im gepunkteten Bikini hatte
sich halb aufgesetzt, blinzelte mich an, eine Hand über den Augen.
    »Wie bitte?«
    »Al? Al Greenwood? Erinnern Sie sich nicht an mich?«
    Ich sah ihr ins Gesicht. Au Backe, Miss Prosser. Was hatte
die denn hier zu suchen?
    »Grundgütiger«, sagte ich. »Miss Prosser. Was machen Sie
denn hier?«
    »Ich mache Urlaub, sieht man das nicht? Sie auch?«
    »Nein. Ich lebe hier. Nicht direkt hier, aber in der
Nähe.«
    »Sie Glückspilz.« Sie stand auf, klopfte sich den Sand von
den Händen. »Na, das ist aber eine nette Überraschung.« Sie gab mir einen Kuss,
völlig ungeniert und freundschaftlich. Ich war so grob zu ihr gewesen, als wir
uns das letzte Mal gesehen hatten, und sie hatte mir verziehen, genauso wie
Mutter Teresa mir verziehen hatte, wie Carol mir verzeihen wollte.
    Ich wechselte die Box in die andere Hand. »Bleiben Sie
lange?«
    »Zwei Wochen. Heute ist mein zweiter Tag. Daher die
schreckliche Blässe.«
    »Das ändert sich im Handumdrehen. In ein paar Tagen sind
Sie eine Strandschönheit. Wer hätte das gedacht. Miss Prosser beim Sonnenbad am
Strand ganz in meiner Nähe. Wo ist denn Ihr Freund? Die Sonnencreme holen?« Mir
graute vor der Antwort. Was war nur los mit mir? Ein Mann in meinem Alter, und
dann solche Hoffnungen!
    »Al! Wieso denken Sie, dass ich einen Freund haben muss?
Ich bin allein gekommen. Aber vielleicht finde ich hier ja jemanden, zumindest
für ein paar Wochen, was meinen Sie?«
    Ihre Augen wurden ganz glitzrig. Ich spürte, wie ich rot
anlief.
    »Wieso nicht? Dafür ist Urlaub ja schließlich da.« Ich
blickte auf ihre Füße. Ein Fuß rieb den anderen.
    »Und was macht die Malerei?«, fragte sie. »Ich hoffe, Sie
haben's nicht aufgegeben.«
    »Ehrlich gesagt, ich hab auf Bildhauerei umgesattelt, im
großen Stil, Miss Prosser. Hauptsächlich Fische.«
    »Nennen Sie mich doch Emily. Hab ich mir gleich gedacht,
dass Sie es sind, als ich Sie durch das Gestrüpp da kommen sah. Das ist doch Al
Greenwood, hab ich mir gesagt. Ob es ihm wohl gut ergangen ist?«
    Ich lächelte. Das war nett.
    Sie deutete auf die Kühlbox. »Was haben Sie denn da drin?«
    Gute Frage. Was hatte ich da drin? Einen gestohlenen Koi,
der einem Polizisten von Dorsetshire gehörte? Besser nicht. Eine Ladung gekühltes
Bier? Nein, ich würde ihr eins anbieten müssen. Was dann? Ich sagte

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