Binding, Tim
er?«
»Nächsten Sonntag. Bournemouth. Am Nachmittag.«
»Das könnten wir doch machen, oder?«
»Ich denke, ja. Gib mir das Handy, Audrey, falls er noch
mal anruft. Die Verbindung war grottenschlecht.«
Ich saß da, das Handy auf dem Schoß wie eine Bombe, die
jeden Augenblick explodieren konnte, während Audrey mir immer wieder einen
Blick zuwarf, um zu sehen, wie es mir ging. Ich hatte ein Engegefühl in der
Brust, mein Herz taumelte darin herum, als hätte es das Gleichgewicht verloren.
Irgendwer hatte mich gesehen, hatte gesehen, wie ich Miranda von der Klippe
stieß, irgendwer, so herzlos, wie ich es sein konnte, irgendwer, dem sie völlig
egal war, der ihren Tod nur als Gelegenheit sah, sich zu bereichern. Aber nicht
das setzte mir zu. Nicht das, was er gesehen hatte. Sondern das, was ich getan
hatte. Ich hatte meine eigene Tochter getötet, ermordet, mein eigen Fleisch
und Blut. Wenn Rump da gewesen wäre, ich wäre auf die Knie gefallen, an Ort und
Stelle, und hätte alles gestanden. Ich hatte nichts mehr in mir. Gar nichts
mehr.
Sie parkte den Wagen, beugte sich zu mir rüber und
schnallte mich los.
»Geht's wieder, Al? Vielleicht hat Tina recht. Vielleicht
solltest du zum Arzt.«
»Vielleicht.«
Das Handy klingelte wieder. Dieselbe Nummer.
»Geh doch schon mal rein«, sagte ich, »mach mir eine Tasse
starken Tee. Mit viel Zucker. Ich nehm das Gespräch hier draußen an, da ist der
Empfang besser.«
Ich ging Richtung Teich.
»Ja.«
»Wir wurden unterbrochen, Mr Greenwood.«
»Ach ja?«
Ich öffnete das Tor. Die Nymphe blickte so wie immer gen
Himmel, aber jetzt kam es mir so vor, als könnte sie einfach meinen Anblick
nicht mehr ertragen.
»Wir wollten gerade zum wichtigen Teil des Gesprächs
kommen. Das Wie und Wann und Wo. Wie viel Geld, wann Sie drankommen können, wo
Sie's mir übergeben.«
Ich lachte, schaute nach unten ins Wasser. Selbst die Fische
verkrochen sich vor mir.
»Übergeben. Ich muss mich gleich übergeben. Jetzt hör mal
gut zu. Du glaubst wohl, du bist auf eine Goldader gestoßen. Dann sieh mal
genauer hin, Freundchen. Du hast nämlich bloß Katzengold in der Pfanne, bloß
wertlosen Plunder. Comprende?«
»Nicht frech werden, Mr Greenwood.«
»Werde ich gar nicht. Ich sage bloß, was Sache ist. Sie haben
mir genau das erzählt, was ich nie erfahren wollte. Machen Sie von mir aus,
was Sie wollen. Interessiert mich nicht mehr.«
»Das sollte es aber. Sonst sorge ich dafür, dass Ihr Leben
sehr unangenehm wird, noch unangenehmer, als es sowieso schon ist.«
»Noch unangenehmer! Was könnte noch unangenehmer sein als
das Wissen...«Ich verstummte. Ich konnte ihm nicht sagen, was ich getan hatte.
»Ja? Als welches Wissen?«
»Fahr zur Hölle«, sagte ich, »fahr zur Hölle und dann komm
zurück und sag mir, wie es da ist, damit ich weiß, was ich packen muss. Weil
ich da nämlich auch hinkomme.«
Aus dem Haus hallte ein Schrei. Ich wusste, wer das war.
So hatte sie geschrien, als sie Monty gefunden hatte, mit herausquellenden
Eingeweiden. Und dann ging es richtig los, wie wenn man an einem Motorrasenmäher
Gas gibt, Schrei für Schrei, aus vollem Halse. Ich rannte den Weg zurück,
stürmte durch die Hintertür. Audrey stand in der Ecke und zeigte nach unten.
Torvill und Dean lagen tot auf dem Linoleum, Torvill mit einem großen Loch im
Kopf, wo sie ins Auge gestochen worden war, den Mund noch weit offen von ihrem
letzten Atemzug. Dean lag neben ihr, den Schwanz über ihren Körper geworfen,
als hätte er versucht, sie zu beschützen. Audrey hechelte wie ein Hund.
»Irgendwer ist im Haus, Al. Ich hab ihn gehört.«
Ich griff mir einen ihrer Golfschläger und ging von Zimmer
zu Zimmer. Niemand. Ich kontrollierte die Außentüren. Nicht aufgebrochen, weder
vorn noch hinten.
»Hier ist keiner, Audrey. Hast du die Türen abgeschlossen,
als du aus dem Haus gegangen bist?«
»Die Hintertür war vorhin auf. Hast du die Fische heute
Morgen nicht gefüttert?«
Hatte ich? Ich konnte mich nicht erinnern.
Ich bückte mich, hob sie beide auf, Torvill und Dean. Sie
wogen richtig schwer, tot. Ich legte sie auf den Küchentisch, Audrey schluchzte
hinter mir. Es war unvorstellbar, dass sie sich nie wieder im Teich tummeln
würden.
»Wer macht so was?«, sagte ich.
»Jemand, der dich abgrundtief hasst, Al. Ich hab Angst.«
Sie klang ganz zittrig und schwach. Ich fühlte mich stärker. Das Blut strömte
zurück nach oben.
Sie ging zum Telefon.
»Was hast du vor?«, fragte
Weitere Kostenlose Bücher