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Binding, Tim

Binding, Tim

Titel: Binding, Tim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cliffhanger
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fasste
meinen Arm, und ihre Augen waren plötzlich sanft geworden. »Du würdest es mir
doch sagen, wenn du irgendwas wüsstest, oder? Sie muss dir doch etwas
bedeuten.«
    »Etwas? Sie ist der Hauptgrund, warum ich hier bleibe.«
    »Ehrlich?« Sie nahm ihre Hand weg, ihr Körper erschlaffte
schlagartig, die Schultern sackten herab, das Leben strömte aus ihr raus. Ich
hatte mich getäuscht. Nicht Entschlossenheit hatte sie aufrecht gehalten,
sondern Hoffnung, und die hatte ich ihr soeben geraubt.
    »Ich weiß, ich sollte das nicht sagen, Al«, sagte sie,
»aber ein Teil von mir glaubt, dass ich sie nie wiedersehe. Ich weiß, ich
sollte positiv denken, aber ich kann nicht anders. Sie ist nicht mehr da, Al,
ich weiß es, instinktiv. Ich weiß nicht, warum, und ich weiß nicht, wie, aber
sie ist nicht mehr da. Und es gibt nichts, was du mir sagen könntest, um mich
vom Gegenteil zu überzeugen, oder?«
    Als sie wegfuhr, stand ich an der Tür und sah ihr nach,
dann ging ich wieder rein und nahm die Tassen vom Haken. Zwei
Tassen. Nicht nur Miranda, sondern Miranda und noch jemand. Kim?
Hatte sie sich hier heimlich mit Kim getroffen, nachmittags, wenn sie wusste,
dass ich arbeitete, oder abends, diskret und verschwiegen, bereit und lüstern?
Mann, ich wusste, was für ein tolles Gefühl das war. War sie deshalb so
freundlich zu mir gewesen, weil sie den Wohnwagen benutzen wollte? Ich musste
daran denken, wie ich vorgeschlagen hatte, ihr auch einen Schlüssel zu geben.
In ihrem Gesicht hatte sich kaum ein Muskel bewegt, als ob sie drauf gewartet
hätte, aber es nicht zeigen wollte. Ich hatte es auf das Wir-Gefühl
zurückgeführt, das sie mir gegenüber empfand, sich aber nicht erklären konnte.
»Dann könnte ich schon mal den Tee kochen«, hatte sie gesagt, es aber nie
getan, nicht ein einziges Mal. Ich war immer vor ihr da.
    Ich durchsuchte den Wohnwagen erneut, diesmal etwas
gründlicher, sah unter den Banksitzen nach, im Getränkeschrank, im kleinen
Schlafraum hinten. Ich fand nichts, aber dann ging ich dahin zurück, wo wir
gesessen hatten, hob die Kissen an, zog den Bezug ab. Sie hatte eine von ihren
Illustrierten daruntergestopft, auf dem Cover Victoria Beckham, die Hälfte der
Zähne geschwärzt und mit Augenklappe. Ich schaute auf das Datum. Eine Woche
alt. Miranda war hier gewesen, vor kaum mehr als sechs Tagen, ohne mein Wissen.
Es kam mir irgendwie falsch vor, dass sie hierherkam, hinter meinem Rücken,
den Wohnwagen für den gleichen Zweck benutzte wie ich damals, mich für blöd verkaufte.
Zum ersten Mal dachte ich daran, den Wohnwagen loszuwerden. Seit sie hierherkam,
hatte er eine Art Unschuld erlangt, wie einen frischen Anstrich. Jetzt war das
alles dahin. Ich wollte nur noch hier raus.
    Aber so einfach war das nicht. Ich wusste, ich konnte
nicht sofort zu Audrey. Ich musste vorher noch woandershin. Als ich den
Wohnwagen abschloss, spürte ich im Nacken ein Ziehen, als würde ich beobachtet,
vom Kliff, von dem Ginsterbusch und der kleinen Senke, die alle keine halbe
Meile entfernt lagen, still und ruhig, ohne das geringste Anzeichen dafür, was
da passiert war. Aber vielleicht gab es da ja doch irgendwas, irgendwas, was
ich übersehen hatte, einen Stofffetzen, einen im Gras versteckten Knopf, einen
Hinweis, wen ich von der Klippe gestoßen hatte. Es war verrückt, aber ich
musste hin, mich da hinstellen, wo ich gestanden hatte, es noch einmal sehen.
    Ich ging quer übers Feld bis zum Pfad. Es waren ein paar
Frischluftspinner unterwegs, die schon drauf und dran waren, ihre Pudelmützen
zu einem kameradschaftlichen Gruß zu neigen, Typen, wie sie diesen
Küstenabschnitt ständig heimsuchen, ausgestattet mit ihren Landkarten und
Wanderschuhen und Rucksäcken voll mit Energieriegeln - doch ein Blick von mir
genügte, und sie hasteten vorbei. Ich brauchte nicht lange, den breiten Hang
hoch, links von mir die Felder von Farmer Sparrow, Portland Bill glänzte als
silberner Streifen auf dem Meer. Früher, als ich Kind war, gab es da draußen
am Bill, der Südspitze der Insel, eine Erziehungsanstalt, eine richtig harte
mit einem Steinbruch, wo die Jugendlichen schuften mussten, und Wärtern, die
kein Erbarmen kannten. Dad sagte immer, dass er deshalb gezwungen war, mit dem
Gürtel auf mich einzudreschen, weil ich sonst nämlich irgendwann dort landen
würde. Als wenn ihm das nicht am Arsch vorbeigegangen wäre. Es war bloß ein
Vorwand, um Mum eine reinzuwürgen, mehr nicht. Deshalb lernte ich zu lächeln,
zu

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