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Binding, Tim

Binding, Tim

Titel: Binding, Tim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cliffhanger
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lächeln, wenn er mich rannahm, zu lächeln, wenn es vorbei war, damit sie
mir nichts im Gesicht ansah. Das Problem war nur, wenn ich lächelte, schlug er
noch ein bisschen härter zu, sodass ich noch stärker lächeln musste. Ein
Teufelskreis, der seinen Namen verdiente. Als er starb, ließ ich einen
besonderen Kranz machen. Alle waren leicht überrascht, da sie wussten, dass
wir nicht auf bestem Fuße miteinander standen, aber nein, ich ließ mich nicht
davon abbringen, Familie ist Familie, und er war schließlich mein Dad. Also kam
dieser Kranz von mir, für den ich keine Kosten gescheut hatte, oben auf seinen
Sarg. Durch ganz Acton wurde er paradiert, über die High Street, vorbei an der
Autowerkstatt, wo er gearbeitet hatte, bis zum Krematorium. Raten Sie mal, was
der Kranz in der Mitte hatte, aus Chrysanthemen gesteckt? Ein verfluchtes
Strahlelächeln, ja genau. Ein verfluchtes Strahlelächeln, so als würde ich mir
da oben auf seinem Sarg einen abgrinsen vor lauter Freude, dass der Wichser tot
war. Trauermarsch? Ich konnte kaum gehen vor Lachen.
    Dann war ich da. Ich hatte vergessen, wie schnell du von
der Farmseite aus oben warst. Da war er, direkt vor mir, wie eine
Bühnenkulisse, leer bis auf mich, der Grabhügel, unterhalb davon der
Ginsterbusch und davor die flache Senke. Es war niemand in der Nähe. Niemand.
An einem Nachmittag im Spätsommer am schönsten Fleckchen der Gegend, und ich
war als Einziger da. Es kam mir irgendwie nicht normal vor. Als ich
hochblickte, rechnete ich schon fast damit, Audrey zu sehen, wie sie auf
dieser Beule von Grabhügel hockte, ein Glas Whisky in der Hand, aber auch der
Hügel war leer. Hier fand eine Solovorstellung statt, und ich war Schauspieler
und Publikum in einem.
    Ich stand da und ließ alles über mich hinwegströmen. Das
Gras war glatt, gestutzt wie ein Abschlag beim Golf, aber es war, als würde
sich alles runter zum Klippenrand neigen. Ich trat näher, ging dann auf die
Rückseite des Ginsterbusches, zu dem kleinen Eingang, wo ich gestanden und
gewartet hatte. Ich kannte ihn gut, den Ginsterbusch. Drinnen war Platz genug
für zwei, und wenn du dran dachtest, dich in extremen Momenten nicht
aufzubäumen, konnte es auch ausgesprochen angenehm sein. Nicht so wild wie im
Wohnwagen, aber dennoch ziemlich angespornt, schon durch die Dornen und
Fingernägel, die sich einem in den Rücken bohrten, und die Aussicht, dass jeden
Augenblick uneingeladene Spinner zum Tee hereinschneien konnten. Ich ging
hinter dem Busch in die Hocke, wie am Sonntagnachmittag, und versuchte, mich
an alles zu erinnern, wie sie gestanden hatte, wie sie aussah, wie groß sie
gewesen war, wie breit, wie ihr Kopf auf den Schultern gesessen hatte. Ich
versuchte, sie mir vorzustellen, wie sie den Weg hochstiefelte, hier oben
angestürmt kam, sich in den Wind und Regen drehte, sich auf den Rand zubewegte.
Den Rand.
    Ich hob den Kopf und blickte ihn voll an. Ich konnte das
Meer weit entfernt sehen, funkelnd wie die Schmuckkassette eines Nabobs, und
ich konnte die grüne Linie sehen, wo die Klippe abfiel, aber dazwischen war
eine Art flacher Bereich, irgendwie greifbar, irgendwie nichts, wie eine Falltür,
die in der Luft hing. Ich machte einen Schritt nach vorn, dann weiter zu der
Stelle, wo sie gestanden hatte. Nein, nicht ganz. Ich war zu weit weg. Ich
machte wieder einen Schritt, dann noch einen. Das war schon besser. Ich war
jetzt nahe am Abgrund, näher als je in meinem Leben. Ich konnte den Sog des
Meeres in der Tiefe hören, spüren, wie sein Atem über die Felswand jagte. Ich
schloss die Augen, versuchte, daran zu denken, was ich gesehen, was ich gehört
hatte. Es war wie etwas, das aus dem Grab geholt wurde, das Weinen, voller
Angst, als wäre es ihr aus der Seele gerissen worden. Wenn ich da richtig hingehört
hätte, dann hätte ich gewusst, dass es nicht Audrey sein konnte. Audrey mochte
auf mich sauer gewesen sein, aber mit so was kam sie klar, schon immer. Es
musste schon einiges mehr passieren, bis Audrey so heulte, zum Beispiel als
Carol am Großen Barriereriff vor der Küste Australiens ihr Bein verlor oder
als ich beim Zurücksetzen unseren Hund überfuhr. Und dass es Miranda war,
hielt ich auch für unwahrscheinlich. Sie hatte Zoff mit ihrem Dad gehabt, mehr
nicht. Kein Grund für sie, hier oben herumzuflennen, als müsste sie die Mauern
von Jericho zum Einsturz bringen. Sie würde es noch mal mit Kim versuchen,
nicht? Hatte sie ihm das nicht gesagt? Dann wäre sie glücklich

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