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Binding, Tim

Binding, Tim

Titel: Binding, Tim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cliffhanger
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lachte. Ein ziemlich furchtbares
Lachen eigentlich.
    »Sehr vernünftig, Alice«, pflichtete Audrey ihr bei. »Zumal
Sie ja Nachbarn haben, die sich um Sie kümmern können. Wie ist das denn
passiert, ein kleiner Schwindelanfall?« Schnüffelnase schüttelte den Kopf.
    »Das kam von dem Zahnarztbesuch. Ich hatte was genommen,
um die Nerven zu beruhigen, und dann noch die vielen Spritzen, die ich
gekriegt hab, mein Gleichgewicht war total im Arsch. IM ARSCH. Total.«
    Ich zuckte zusammen, ein schmerzhafter Stich schoss mir
durchs linke Auge. Es erschüttert mich stets, wenn ich solche Ausdrücke aus dem
Mund der Alice Blackstocks dieser Welt höre. Nicht, dass sie sich schon wieder
ganz im Griff hatte. Das Grinsen in ihrem Gesicht, als sie das sagte, verriet,
dass sie noch nicht wieder die Alte war.
    »Ich nehme an, Sie mussten mir die Treppe hochhelfen,
Alan.«
    »Stimmt, Mrs Blackstock. Hab Sie oben auf Ihr Sofa gesetzt.
Sie waren ein bisschen benebelt, das muss ich zugeben.« Audrey drohte mir mit
dem Finger.
    »Du hättest bei ihr bleiben sollen, Al. Sie hätte sich den
Hals brechen können.« Mrs Schnüffelnase winkte ab.
    »Sie müssen sich nicht entschuldigen, Alan. Ich war bestimmt
ganz schön schwierig. Obwohl ich mich an nichts erinnern kann.«
    Und dann zwinkerte sie mir zu.
    Und genau das, dieses Zwinkern, das brachte mich ins
Grübeln. Sagte sie die Wahrheit? Konnte sie sich wirklich nicht erinnern, oder
wollte sie mir auf ihre verschrobene Art zu verstehen geben, dass sie sich an alles erinnern
konnte, die Rückfahrt, das Gespräch, den Fuß?
    »An gar nichts mehr, Mrs Blackstock?«
    »An nichts mehr seit der ersten Spritze. Die haben gesagt,
ich hätte in der Praxis gesungen. Die gleiche Strafe habe ich Ihnen vermutlich
auf der Rückfahrt zugemutet.«
    »Ein bisschen.«
    »Was denn? Neil Young? Leonard
Cohen? Dylan?«
    »Leonard Cohen?«
    »Ja. Ich bin ein großer Fan. Suzanne,
Bird on the Wire, Songs of Love and Wate. Der ganze
dunkle Strudel unter der Oberfläche.«
    Ich versuchte, mir nichts anmerken zu lassen, aber es war
furchtbar, meine eigenen Gedanken aus dem Mund von jemandem wie ihr zu hören.
Furchtbar. Leonard Cohen war was Persönliches. Verdammt, sie hatte nicht das
Recht, ihn auch zu mögen. Er gehörte mir, nicht ihr.
    »Nein, ich glaube, von den Songs war's doch keiner, Mrs
Blackstock. Hörte sich eher nach den Monkees an. Last Train to
Garksville.«
    Sie schauderte.
    »Mir ist schleierhaft, wie Sie das ausgehalten haben. Da
sitze ich grölend neben Ihnen, während Sie mich nach Hause kutschieren. Ein
Wunder, dass Sie mich nicht rausgeschmissen haben.« Audrey, die das
anscheinend komisch fand, lachte. Ein ziemlich fürchtbares Lachen eigentlich.
Es schien ansteckend zu sein.
    »Sie haben hinten gesessen, Mrs Blackstock.«
    »Ehrlich? Da, bitte! Ich erinnere mich an gar nichts! Gut,
dass Sie da waren und sich um mich gekümmert haben. Weiß der Himmel, was sonst
noch alles passiert wäre, wenn ich mich von einem Fremden hätte nach Hause
bringen lassen. Der hätte mich doch eiskalt ausrauben und die Treppe
runterschmeißen können, ohne dass ich was gemerkt hätte. Und sagen Sie bitte
Alice zu mir.«
    Sie faltete die Hände im Schoß und sah sich so um wie
Audrey, wenn sie bei anderen Leuten zu Hause war: alles unauffällig unter die
Lupe nehmen und mit einer Skala von bis zu zehn Punkten bewerten. Sechs, ihrem
Gesichtsausdruck nach zu urteilen. Dann fiel ihr Blick auf die tizianrote
Decke und die dazu passenden Kissen mit dem Jesuskindmotiv, die Audrey von
ihrer Busreise nach Lourdes mitgebracht hatte. Fünf. Vielleicht auch vier.
    »Alice bleibt ein paar Tage bei uns«, sagte Audrey. Sie
klopfte auf einen kleinen Koffer, der zu meinen Füßen stand.
    »Das soll wohl ein Witz sein!« Hatte ich das laut gesagt?
Audrey blickte mich streng an. Mein Kopf lag wieder auf dem Golf-Tee.
    »Es ist schon alles geregelt. Sie schafft es nicht mehr in
die erste Etage, nicht in ihrem Zustand. Und wir haben ein Gästezimmer mit
Bad. Jetzt können wir es endlich mal gebrauchen.« Sie drehte sich zu Mrs Schnüffelnase
um und sagte vertraulich: »Wir benutzen es sonst nur, wenn Al schnarcht, weil
er zu viel getrunken hat, aber das gehört der Vergangenheit an, hab ich recht,
Al?«
    »Ja. Ich bin jetzt ein neuer Mensch, Mrs Blackstock. Ganz
schön aufregend, muss ich sagen.«
    Alice faltete entzückt die Hände.
    »Ach, Sie zwei. Ich will keine Umstände machen.« Sie
schnitt sich wieder eine Scheibe

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