Binding, Tim
Lächeln, ein paar derbe Witze, das war Doc, ein kleines bisschen
schnell, ein kleines bisschen locker, ein kleines bisschen gewagt im Umgang
mit seinen Patientinnen. Jetzt konnte er nicht mal mehr seine Pfeife in der
Öffentlichkeit rauchen.
»Hast du schon gehört?«, sagte er. »Sie haben irgendwas
gefunden, unten in der Bucht.«
Das Herz rutschte mir in die Hose, Blut stieg mir in die
Augen. Ich musste mich an der Theke festhalten, damit meine Stimme nicht ins
Wanken geriet. Ich konnte hören, wie alles Schlimme, was ich je getan hatte,
mich anklagte.
Da sieht man mal, was passiert, wenn man was Unrechtes
tut. Es holt einen wieder ein, doppelt und dreifach. »Was denn?«
Er zuckte die Achseln. »Ich erfahr von denen ja nichts
mehr. Hab aber unseren Dorfbullen gesehen, wie er nach unten gesaust ist, so
schnell, wie seine Krampfaderbeine ihn tragen wollten.«
»Eine Leiche, was?«
Er schüttelte den Kopf. »Bei einer Leiche war das Aufgebot
größer gewesen. Spurensicherung, Hunde, der Mann mit dem Rektalthermometer. Ich
hab so was früher für die gemacht. Autounfälle, Schusswaffenunfälle, der ein
oder andere Sprung von der Klippe. Ist 'ne nette Abwechslung, wenn sie keine
Widerworte geben können.«
»Kleidung vielleicht?«
»Kleidung?«
»Ja. Sie trug einen gelben Regenmantel.«
»Wer?«
»Miranda. Miranda Grogan.«
»Was hat die denn damit zu tun?«
»Du hast doch gesagt, sie haben irgendwas gefunden.«
»Unter in der Bucht, ja. Ich hab nicht gesagt, dass es was
mit Miranda zu tun hat.«
»Wonach sollten sie denn sonst suchen?«
»Was weiß ich? Illegale? Drogen?«
Sehen Sie, das meine ich. Die Perspektive ist eine andere,
wenn man erst mal die Grenze überschritten hat. Es lässt sich nicht verbergen,
und wenn man es noch so sehr versucht. Es blubbert jedes Mal hoch, wie
schlechte Luft. Aber Doc schien nichts zu merken. Er schwafelte einfach drauflos
über die alten Zeiten. Jacko kam rüber. Seine Augen waren sehr hell.
»Jacke Du hast dich ja richtig in Schale geschmissen.«
»Ich bin verabredet. Schicke Kleidung ist immer gut, ob
fürs Geschäft oder Vergnügen. Hast du übrigens den Weg gefunden? Zum
Verwaltungsblock?«
»Neulich? Ja. Ich kann ihn dir gern beschreiben.« Er verzog
keine Miene. Offenbar hatten sie Anweisung, sich im Pub von ihrer besten Seite
zu zeigen. Es machte irgendwie Spaß rauszufinden, wie lange man sie auf die
Schippe nehmen konnte.
»Mir ist da bloß was aufgefallen«, sagte er mit ausgesprochen
höflicher Stimme, »du hast gar kein Navi in deinem Vanden Pias. Ich hab da
welche zur Auswahl, wenn du Interesse hast, topmodern, super Qualität, sehr
nette Lady mit feiner Aussprache.«
»Geldverschwendung, Jacko. Eine Karte reicht mir. Weißt
du, was das ist?« Er schaffte es wieder, das Gesicht nicht zu verziehen, aber
unter dem linken Auge zuckte es, und seine Hand verkrampfte sich ums Bierglas.
»Eine Karte? Hast du das gehört, Rodney? Eine Karte reicht
ihm. Ich hab mal bei einem Lauf mitgemacht, im Dartmoor. Orientierungslauf.
Weißt du, was passiert ist?«
»Nein, was ist denn passiert?«
»Ich hab mich verlaufen.« Er fing an zu lachen. »Also, da
lass ich mir doch lieber von einer Edeltussi sagen, wo's langgeht.« Er trank
einen Schluck Bier. »Versteh mich nicht falsch. Der Vanden Pias ist ein
Superschlitten. Allein schon das Walnussfurnier, das ist bestimmt einen
Millimeter dick. Und dann die Polstersitze. Mann, die sind sicher so gut wie
aus Leder, oder? Was fehlt, ist ein Eins-A-Navi, und der Vanden Pias könnte
das Hinterteil von jemandem so Glanzvollem schmücken wie Lady Di.«
»Und ein besseres Hinterteil als das von Lady Di gibt's nicht
zu schmücken, tot oder lebendig«, fügte Rodney hinzu und verlagerte sein
Gewicht nach hinten.
»Was nicht heißen soll, dass wir hier in der Gegend nicht
auch ein paar prächtige Hintern hätten«, sagte Jacko, der sich für das Thema
erwärmte. »Das kommt vom Salz in der Luft und vom Schwimmen im Meer. Das macht
sie schön appetitlich rund. Um sich bei den Exemplaren zurechtzufinden,
braucht man natürlich kein Navi.« Jacko drehte sich um. »Weißt du, Rodney,
meiner Meinung nach haben sie da eine Riesenmöglichkeit verpasst, beim Navi,
was die richtige Stimme für die Sprachführung betrifft. Manche sind nicht
besser als die Zeitansage oder der kleine Eunuch, den sie im Bahnhof Euston ans
Mikro geschnallt haben. Ich meine, überleg doch mal, was das für ein Erfolg
gewesen wäre, wenn sie stattdessen
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