Binding, Tim
Richtung?«
»In die Richtung.«
»Wo waren Sie?«
Sie kicherte erneut. »Das erraten Sie nie.«
»Mrs Blackstock, Alice, ich hab wirklich keine...«
»Na los, raten Sie.«
»Ich...«
»Nur einmal.«
»In der Küche?«
»Nein.«
»Im Wohnzimmer?«
»Nein. Das sind alles ziemlich langweilige Vorschläge. Da
müssen Sie sich schon mehr Mühe geben.«
»Alice.« Er atmete plötzlich schwer. »Ich fühle mich nicht
gut.« Er packte den Tisch, als fürchtete er, vom Stuhl zu kippen. Er sah
wirklich ein bisschen käsig aus. »Bitte. Sagen Sie's mir einfach.«
Sie blickte triumphierend in die Runde.
»Ich war auf einem Baum.«
Sie brachte alles durcheinander, aber was sollte ich
machen? Mein Mund konnte sich nicht öffnen. Ich war an meinem Stuhl
festgeklebt, an das Zimmer, wie alle anderen auch. Wir saßen hier fest, im
letzten Zug, die Zeit winkte uns zum Abschied.
»Auf einem Baum«, wiederholte Rump.
»Um meine Wäsche zu retten. Der Wind hatte sie weggeweht,
aber der Baum hatte sie eingefangen. Sie hing in den Ästen und flatterte vor
sich hin. Also bin ich hochgeklettert. Und von da oben hab ich gesehen, wie
jemand in einem gelben Regenmantel den Pfad hochging. Zuerst dachte ich, es
könnte Audrey sein. Sie ist oft zum Kliff gegangen, als Monty noch lebte.«
»Monty?« Rump war verwirrt.
Audrey drückte eine Hand auf ihren Busen. »Er war mein
bester Freund, Adam. Er wurde überfahren.«
»Da hatte er wohl keinen gelben Regenmantel an.«
»Monty war ein Hund, Inspector. Es ist lange her.«
»Ein Hund?«
»Ich hab ihn überfahren. Mit dem Vanden Pias. Nicht mit
Absicht natürlich.«
»Dann hat er nichts mit dem Kliff zu tun?«
»Nein. Niemand. Alice hat bloß jemanden hochgehen sehen,
mehr nicht. In einem gelben Regenmantel.«
»Ja. Schon kapiert.« Er überlegte einen Moment. »War das
alles, was Sie gesehen haben?« Alice legte den Kopf auf die Seite, wie ein
schlauer kleiner Vogel. Sie genoss die Aufmerksamkeit.
»Oben am Kliff? Ja.«
Ich hielt den Atem an. Wenn er keine Frage mehr stellte,
war ich aus dem Schneider. Alice hatte ihre Pflicht getan, Rump die seine. Wenn
er es nur dabei bewenden ließ. Ich beobachtete ihn. Er strengte sich an,
starrte auf sein Notizbuch, überlegte krampfhaft, was er als Nächstes machen
sollte. Es war offensichtlich, dass ihn eine Art Nebel umhüllte. Eine Art
Nebel umhüllte uns alle, machte es schwierig für uns, hindurchzufinden. Da
streckte er die Hand aus, brach hindurch.
»Haben Sie sonst noch was gesehen, außer dem Kliff?«
»Den Wind? Den Himmel?«
Er notierte es sich.
»Sonst noch was?«
»Nichts. Nichts, abgesehen von Al hier. Er war nicht auf
einem Baum. Er war nicht oben am Kliff. Er trug nicht mal einen gelben
Regenmantel. Er war einfach nur draußen, in den Büschen. Nicht wahr, Al?«
Ich nickte. Alle sahen mich an.
»Ich war nach draußen gegangen, um Monty reinzurufen. Ich
hatte für einen Moment vergessen, dass er tot ist. Macht der Gewohnheit. Es war
schreckliches Wetter, und ich dachte, ich müsste Monty reinrufen. Haben Sie
nicht gehört, wie ich nach ihm gerufen hab, Alice? Monty! Monty! Ich kam mir
so bescheuert vor.«
Adam starrte auf das Tischtuch. Er wirkte nicht sonderlich
interessiert. Auch die anderen nicht. Audrey ließ ihre letzten Erbsen auf dem
Tellerrand kreisen. Alice hatte ihr Kotelett in die Hand genommen und nagte am
Knochen. Irgendwas war hier ausgesprochen seltsam. Zum Beispiel die Größe der
Teller. Sie waren irgendwie größer geworden. In der Luft lag ein seltsames
Summen, wie von einem dieser Kreisel, mit denen Kinder früher spielten, als
würde der Raum aufgepumpt wie ein Reifen. Ich konnte spüren, wie mein Kopf
Risse bekam, als würde er jeden Moment aufplatzen. Irgendwie war eine große,
starke Hand aus dem Nichts herabgestoßen und hatte uns alle herumgewirbelt.
Aus dem Nichts?
»Wer hat sie gemacht?«, fragte ich Audrey unvermittelt.
»Sie?«
»Die Gemüsekroketten. Wer hat die gemacht?«
»Das war Alice«, sagte sie. »Waren sie nicht lecker?«
Lecker? Das war keine Petersilie! Sie hatte vermutlich die
ganze Dose verarbeitet. Wir hatten soeben einen Polizisten high gemacht. Ich
ließ mich gegen die Rückenlehne plumpsen. Rump wedelte mit der Hand in der
Luft, als wollte er irgendwas fangen.
»Meinen Sie«, sagte er, »ich könnte mir mal Ihre Fische
ansehen?«
Wir marschierten nach draußen, alle vier. Ich schaltete
die Teichbeleuchtung ein, und sie wurden beide erhellt. Sie schwammen hin
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