Binding, Tim
Mrs Blackstock. Sie könnten Ihre beste
Platte auflegen. Songs oflove and Hate.«
»Gefällt sie Ihnen?«
»Meine Lieblingsworte, Alice, auf meinem Lieblingsalbum.«
Audrey begann, regelmäßig mitzufahren. Mir gefiel es, und
ich brachte ihr die Tricks und Schliche des Gewerbes bei; dass du bei
konstanten fünfundvierzig Meilen die Stunde den geringsten Spritverbrauch
hattest, wie du auch dann die längste Strecke fahren konntest, wenn die Kunden
eine kürzere kannten, was für Kleingeld du parat haben musstest, um das meiste
Trinkgeld rauszuschlagen. Sie überraschte mich mit eigenen Vorschlägen,
Kleinigkeiten, um die Kunden ein wenig zu verwöhnen, eine Dose mit bunten
Taschentüchern in einer Ecke, ein Duftpotpourri in der Armlehne, wo früher der
Aschenbecher war, sogar eine kleine Wunschliste an der Rückseite des
Fahrersitzes mit den CDs im Angebot, Herb Alpert, Die drei Tenöre, Wiener
Walzer. Bei Bird on the Wire oder Brünnhilde und ihrem Dad, wie
sie in Flammen aufgehen, zog sie die Grenze.
Neuigkeiten blieben aus. Als wäre Miranda für immer
verschwunden. Ich rief mehrmals bei Iss an und sprach ihr auf den
Anrufbeantworter, doch sie rief nie zurück. Hin und wieder ging ich bei ihr
vorbei, aber das Haus war wie verrammelt. Ich schob ihr eine Nachricht unter
die Tür, dass ich in der Woche drauf im Wohnwagen wäre, von elf bis halb zwölf,
während Audrey im Fitnessstudio war, aber sie kam nicht. Sie wollte nicht mit
mir sprechen. Ich konnte das verstehen. Ich war dem Schmerz zu nahe. Ach
verdammt. Ich war der Schmerz.
Es war Mittwoch, drei Wochen nach Mirandas Verschwinden.
Selbstverständlich wollten irgendwelche Leute sie gesehen haben, Guernsey, St.
Ives, an irgendeinem Strand auf Gozo. In keinem Fall war sie es, das wusste
ich. Ich hatte beschlossen, dem Major die Tasche zurückzugeben. Ich hatte die
Tasche im Auto. Ich würde sie auf dem Stützpunkt abgeben. Selbst wenn er mit
ihr hatte durchbrennen wollen, egal. Ich konnte es ihm nicht verdenken. An
seiner Stelle hätte ich das auch gewollt. Er hatte es mit ihr getrieben, aber
auch das machte mir nichts mehr aus. Er würde so schnell nicht wieder zur Ruhe
kommen. Es war nicht viel, aber es genügte mir. Ich hatte vom Chaos die Nase
voll.
Ich warf die Tasche in den Kofferraum und brachte Audrey
zum Fitnessstudio. So machten wir das jetzt. Tags zuvor hatte sie Sheila
Coleman ganz allein in ihrem neuen Renault nach Dorchester gefahren und war mit
der Neuigkeit zurückgekommen, dass sie das offizielle Taxi des Hotels werden
sollte. Es war nicht viel, aber es war ein Anfang.
Ich brachte sie hinein, wie immer. Es wäre nicht nötig gewesen,
aber ehrlich gesagt, freute ich mich drauf, die heiße Frau hinter der Theke zu
sehen. Audrey störte das nicht. Macht der Gewohnheit, sagte sie. Sie wollte an
dem Tag länger bleiben als sonst, eine Sitzung im Schwebebad und dann ihre
erste Yogastunde. Irgendwer aus Wareham hatte den Kurs übernommen. Sogar
Mirandas Foto war schon abgenommen worden.
Audrey ging sich umziehen. Die junge Frau war nicht da.
Ich lungerte ein paar Minuten herum, weil ich die Hoffnung nicht aufgeben
wollte, aber nichts. Sie hatte ihren Hintern woanders geparkt. Ich wollte
gerade gehen, als ich sie sah, wie sie die Treppe heruntergeschlichen kam, wie
eine Katze. Nicht die junge Frau. Die Gattin des Majors, Mrs Fortingall, in
weißem Top und weißer Trainingshose und niedlichen weißen Söckchen. Sie hatte
etwas Unerbittliches an sich, etwas Hartes, etwas Grausames, selbst in der Art,
wie ihre Hand übers Geländer strich. Als sie mich sah, verzog sich ihr Mund
nach unten, nicht viel, aber genug, um es zu bemerken. Ich widerte sie an,
aber da war noch etwas, wie wenn du eine Schlange siehst, die sich durchs Gras
schlängelt, und du angewidert und doch auch irgendwie fasziniert bist. Und
plötzlich spürte ich, wie der alte Al wieder wach wurde. Wenn sie nicht so auf
mich herabgeblickt hätte, hätte er tief und fest weitergeschlummert, aber auf
einmal war er wieder da, hellwach, und erwiderte ihren Blick ungeniert.
»Mrs Fortingall. Erinnern Sie sich an mich?«
Sie stutzte.
»Mr Greenwood, nicht? Sie haben uns neulich aufgesucht.«
Ja, und ich bin nicht durch den Lieferanteneingang gekommen.
»Darüber würde ich gern mit Ihnen reden, wenn Sie einen
Moment Zeit hätten.«
»Ach ja?«
»Ja. Setzen wir uns doch kurz an die Saftbar.«
Sie folgte mir. Es war sonst niemand da. Ich warf etwas
Kleingeld in den Getränkeautomaten und
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