Biodiversität: Unsere wertvollste Ressource
finden, wo die Menschen sich Gedanken über Naturschutz machen oder sich entscheiden, keine Tiere zu essen.
Dabei lässt sich geflissentlich streiten, „wie viel“ Natur wir für unser Wohlergehen brauchen. Viele Städter werden womöglich antworten: „Gar keine!“ Denn sie haben ja einen Supermarkt um die Ecke, haben ein Auto, eine Wasserleitung und ihre Arbeit in einem Büro. Natur mag sich hier in der Wahrnehmung auf den Ficus-Baum neben dem Schreibtisch beschränken. Bei den meisten Menschen jedoch bleibt die Natur ein Teil der Bedürfnisse, und zwar über die Ernährung und die Gesundheit hinaus. So waren die wichtigsten Eigenschaften, die die Deutschen in der Naturbewusstseinsstudie von 2011 nannten: „schön“, „wertvoll“, „nützlich“, „anziehend“ und „vertraut“. Attribute, die auch durchaus gegensätzlich sind und damit unseren Zwiespalt im Umgang mit der Natur aufzeigen.
Der nullte Sektor: Natur ist voll von Dienstleistungen und Dienstleistern
Ein Supermarkt ist eine Dienstleistung. Ein Auto ist ein produziertes Gut und eine durch eine Werkstatt unterhaltene Dienstleistung. Die Straßen sind eine Infrastruktur-Dienstleistung des Staates. Die Wasserleitung und die Tatsache, dass sauberes Wasserdurch die Leitung zu uns gelangt, ist auch eine Dienstleistung. Der Pizzadienst, der Putzservice, die Post, die Bank … Wir leben heutzutage in Mitteleuropa in der viel beschworenen Dienstleistungsgesellschaft, was bedeuten soll, dass wir einen wachsenden Teil unseres Einkommens direkt dafür ausgeben, dass andere Personen oder Firmen eine Leistung für uns erbringen, für die wir selbst die Zeit nicht aufwenden wollen oder die wir gar nicht selbst ausführen können. In Deutschland sind über 60 Prozent der Beschäftigten im Dienstleistungssektor, dem tertiären Sektor, tätig. Allerdings erbringen auch die Beschäftigten in den anderen Wirtschaftssektoren eine Leistung für uns.
In der Land- und Forstwirtschaft, dem primären Sektor der Wirtschaft, arbeiten in Deutschland heute noch fünf Prozent der Beschäftigten. Früher lag deren Anteil wesentlich höher, im Zuge der Mechanisierung vor allem in der Landwirtschaft nahm er aber über die Jahrzehnte immer weiter ab. Heute holt ein Landwirt, unterstützt durch unzählige Liter Diesel für den Traktor, Düngemittel und Strom, ein Vielfaches dessen aus der Natur heraus, wofür früher viele Arbeitskräfte notwendig waren.
Im sekundären Sektor, dem produzierenden Gewerbe, sind gegenwärtig in Deutschland 25 Prozent der Beschäftigten tätig. Ihre Produktion basiert zum Teil auf Produkten des primären Sektors und verlangt in noch höherem Maße als dort nach Eingriffen in die Natur, vor allem bei Rohstoffen wie Holz, Eisen, Kohle, Edelmetallen und vielem mehr.
Der ganzen Ökonomie aus primärem, sekundärem und tertiärem Sektor liegt aber noch ein anderer Sektor zugrunde – der nullte Sektor. Basis all unseres Wirtschaftens sind die Natur und ihre Biodiversität mit ihrem gesamten Facettenreichtum. Sie umfasst Abermilliarden „Arbeitskräfte“ und liefert die Grundstoffe für unsere Wirtschaft oft frei Haus.
Alle unsere Güter und Dienstleistungen hängen letztendlich in mehr oder minder großem Umfang von diesem nullten Sektor ab:
Nahrungsmittel, Arzneimittelgrundstoffe und Holz als Güter des primären Sektors,
Industriegüter, wie Papier aus Holz, Wasser und Energie (ebenso wie der Mikrochip),
Dienstleistungen des tertiären Sektors, die vielfach auf den Produkten der ersten beiden Sektoren aufbauen oder diese „weiterverwerten“, Stichwort: Pizzaservice.
Mit unserer auf Wachstum ausgerichteten Wirtschaft nehmen wir dabei einen immer größeren Anteil des nullten Sektors für menschliche Bedürfnisse in Beschlag. So zeigen verschiedene Berechnungen, dass die Menschheit mittlerweile schon 25 Prozent der weltweit produzierten Pflanzenmasse, der sogenannten Nettoprimärproduktion, für ihre Zwecke nutzt. Entsprechend weniger bleibt für die Natur übrig.
Ende der 1980er-Jahre begannen verschiedene Wissenschaftler darüber nachzudenken, wie man die Beziehung zwischen Mensch und Natur, den vielfältigen Nutzen der Natur für das menschliche Wohlbefinden besser greifbar und ein Stück weit systematisch darstellen kann. In der ökologischen Forschung zeigten sich immer mehr die Auswirkungen und Grenzen des menschlichen Wirtschaftens. Die klassische Ökonomie ignorierte den Faktor Natur aus dem nullten Sektor weitgehend und ging davon
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