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Biodiversität: Unsere wertvollste Ressource

Biodiversität: Unsere wertvollste Ressource

Titel: Biodiversität: Unsere wertvollste Ressource Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Neßhöver
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aus, dass der Verlust an natürlichen Grundlagen durch technische Innovation und Finanzkapital zu ersetzen sei.
    Um den Graben zwischen diesen beiden Perspektiven sichtbar und in der Folge auch überbrückbar zu machen, entwickelte die Wissenschaft den Begriff der ökosystemaren Dienstleistungen (auf Englisch: ecosystem services), der recht schnell in Wissenschaft und Politik Karriere machte. Deutlich ist dabei die Anlehnung an den menschlichen Dienstleistungssektor, denn schon der Begriff soll unterstreichen, dass es um die Leistungen der Natur für den Menschen geht, also der Nutzungsaspekt und nicht der Erhaltungsaspekt der Biodiversität im Vordergrund steht.
    2005 wurde mit dem Millennium Ecosystem Assessment zum ersten Mal der Versuch einer globalen Erfassung dieser Leistungen unternommen. Das Kurzfazit fiel erschreckend aus – und wenig überraschend: Zwei Drittel der 24 betrachteten Dienstleistungen sind in den letzten fünfzig Jahren teilweise massiv zurückgegangen, nur wenige konnten sich steigern.
    Was sind aber nun diese Dienstleistungen, die uns die Natur bereitstellt und die die Grundlage für unsere Wirtschaft bilden? Es gibt viele Möglichkeiten, sie zu klassifizieren. So könnte man sich anschauen, welche Aspekte des menschlichen Wohlergehens die Natur unterstützt – die Grundversorgung, die Gesundheit, gute soziale Beziehungen, Sicherheit und Entscheidungsfreiheit. Für alle diese fünf Aspekte fallen uns, mal mehr, mal weniger klar, Leistungen der Natur ein, die dazu beitragen. Zur Grundversorgung zählen nicht nur Nahrungsmittel, sondern auch sauberes Trinkwasser und vielleicht sogar die Luft, die wir atmen – die über Jahrmillionen durch die Pflanzen mit Sauerstoff angereichert wurde. Auch die Regulation von Schädlingen in der landwirtschaftlichen Produktion durch natürliche Feinde zählt man dazu. Neben der Ernährung ist der Effekt auf die Gesundheit am offensichtlichsten. Auch heute noch stammen über zwei Drittel unserer Medikamente aus dem Arzneischrank namens Natur. Neben so geläufigen Beispielen wie dem ursprünglich aus der Weidenrinde gewonnenen Schmerzmittel Acetylsalicylsäure, besser bekannt als Wirkstoff des Aspirins, tauchen in unserem Umfeld auch immer wieder neue Naturprodukte auf, die der Gesundheit förderlich sind, denken wir nur an Teebaumöl, den Hoodia-Kaktus, Aloe Vera oder Mittel aus dem Erdrauchkraut. Aber Gesundheit lässt sich noch viel weiter fassen. So können gesunde Ökosysteme das Aufkommen von Krankheitserregern regulieren und reduzieren.
    Bereits im 19. Jahrhundert bildete sich ein Bewusstsein dafür, dass diesen Leistungen der Natur vor allem bei der Grundversorgungund Gesundheit eine zentrale Bedeutung zukommt und sie hinsichtlich der Entwicklung einer Gesellschaft von strategischer Bedeutung sein könnten. So schrieb bereits um 1870 der britische Botaniker Richard Spruce: „Jedwede pflanzliche Substanz, die dem Menschen von Nutzen ist, muss durch Kultur der jeweiligen Pflanze gewonnen werden. Denn während die Nachfrage nach so kostbaren Stoffen wie Jesuitenrinde, Sarsaparille, Kautschuk und so weiter zwangsläufig steigt, wird das, was der Wald liefert, immer weniger werden und letztendlich versiegen.“ Die britische Regierung und andere Kolonialmächte handelten entsprechend und versuchten einerseits, wertvolle Pflanzen zu finden und idealerweise in ihren Heimatländern oder in eigenen Kolonien zu kultivieren. Das markante Ergebnis dieses Strebens ist einer der beeindruckendsten botanischen Gärten der Welt: Kew Gardens in London. Dort werden auch heute noch mehrere tausend Pflanzenarten gezüchtet und erhalten. Die Samenbank des Gartens enthält 30 800 Arten aus der ganzen Welt mit ca. 1,8 Milliarden Samen. Und auch wenn der kommerzielle Nutzen aus dieser Sammlung gegenüber der reinen Erhaltung der Artenvielfalt mehr und mehr in den Schatten tritt, spielt er doch noch immer eine Rolle. Denn es darf nicht vergessen werden: Auch die Vielfalt hat ihren monetären Wert. Jeder Orchideenliebhaber, der Pflanzen für seine Sammlungen erwirbt, wird das bestätigen.
    Auf der anderen Seite wurden um solche Schätze auch schon früh Kriege geführt, an vorderster Front standen die Kolonialmächte. Die Muskatnuss beispielsweise, im 16. Jahrhundert für den europäischen Markt entdeckt, zählte schnell zu den „In-Produkten“ in Europa, u. a. weil sie als wirksames Mittel gegen die Pest galt. So wurde sie zu einem stark umkämpften Handelsgut im asiatischen

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