Biodiversität: Unsere wertvollste Ressource
ausgebeutet. Mehr als zwei Drittel der Fischbestände gelten dort als voll genutzt, stark oder sehr stark überfischt – ein Trend, der seit vielen Jahrzehnten anhält. Obwohl Europa mit dem Internationalen Rat für Meeresforschung (ICES) über eine Institution verfügt, die jedes Jahr Daten erhebt und Empfehlungen herausgibt, um diese Überfischung zu vermeiden, werden Jahr für Jahr zumeist zu hohe Fangquoten von der EU festgelegt, denn die Sorge um die Regionen mit einer starken Bedeutung der Fischerei für die Wirtschaft ist größer als die Sorge um die Fischbestände. Erst in den letzten Jahren werden die wissenschaftlichen Empfehlungen zumindest für einige Bestände umgesetzt. Für die EU-Fischereipolitik ab 2014 deutet sich erstmalig einen deutliche Umsteuerung an.
In den USA und Kanada dauerte die Ausbeutung bis hin zum Zusammenbruch etwas länger. Dies lag u. a. auch daran, dass die Bestände an der nordamerikanischen Atlantikküste, vor allem an Kabeljau, schier unendlich erschienen. Jahr für Jahr wurden die Fangkapazitäten erweitert, bis in den 1970er-Jahren ein Maximum von fast 800 000 Tonnen pro Jahr erreicht wurde – und danach die Fischbestände völlig zusammenbrachen, sodass Anfang der 1990er-Jahre der Fang komplett eingestellt werden musste. Tausende Fischer wurden arbeitslos oder mussten auf das Fischen von Schrimps umstellen, der eigentlichen Nahrung des Kabeljaus. Die Bestände des Kabeljaus haben sich bis heute nicht flächendeckend erholt – auch nach zwanzig Jahren unter einem praktischen Fangstopp nicht. Denn die Struktur der Artenin der Nahrungskette hat sich so verschoben, dass nun kleinere Fischarten und Krustentiere das Ökosystem dominieren, wo vorher der Kabeljau mit seinen Massen einen Großteil des Stoffumsatzes, des Fressens und Gefressen-Werdens, bestimmte. Die ökologischen Effekte der Fischerei sind enorm und bleiben doch zugleich unter der Wasseroberfläche verborgen. So sehen wir nicht, dass jeder Quadratmeter der Nordsee bis zu zwanzigmal pro Jahr von einem Bodenschleppnetz umgepflügt wird. Der Effekt ist vergleichbar mit einem riesigen Kamm, der durch einen Wald pflügt, um die Rehe und Wildschweine dort zu fangen.
Grund 2: Lebensraumwandel – das Haus abgerissen
Sichtbarer als die Zerstörung des Lebensraums von Fischen im Meer durch Schleppnetze ist dagegen der Flächenverbrauch an Land, nicht nur durch die Landwirtschaft, sondern auch durch die Infrastruktur. Zwar versucht der Mensch schon lange, in Mitteleuropa zu einem Ausgleich mit der Natur zu kommen. Aber aktuelle Entwicklungen zeigen, dass sich auch hier das Bild weiter verschlechtert. Die aktuellen Daten zur Natur in Deutschland zeigen, dass mittlerweile auf 2,1 Millionen Hektar Energiepflanzen, vor allem Mais, angebaut werden und dafür viele Grünland- und Brachflächen umgebrochen wurden. Auslöser war eine Entscheidung der EU im Jahr 2009. Dort wurde beschlossen, aufgrund der hohen Nachfrage nach Agrarrohstoffen für die Lebensmittel- wie die Energiepflanzen die bisher geltenden Regeln für einen obligatorischen Brache-Anteil an den Gesamtflächen eines Betriebes abzuschaffen. Wenn man eine einzelne politische Entscheidung sucht, die einen erheblichen Effekt auf die Biodiversität hatte, dann war es diese. Die im Jahr 2012 vorgestellten Zahlen des BUND und des Dachverbandesder Avifaunisten zeigen etwa, dass sich grade die Bestände der wiesenbrütenden Arten wie Kiebitz, Rebhuhn und Wiesenpieper in den vergangenen Jahren noch weiter reduziert haben.
Viele ähnliche Zahlen und Beispiele aus der ganzen Welt ließen sich hier nennen, nicht zuletzt aus den Tropen, wo der Nutzungsdruck in den letzten zwanzig Jahren in vielen Regionen deutlich gestiegen ist.
Grund 3: Invasive Arten – von neuen Mietern verdrängt
Asiatische Karpfen im Mississippi, der Dunkle Tigerpython in Florida, die Pazifische Auster in der Nordsee und die Beifuß-Ambrosie in Brandenburg und Berlin sind einige wenige Beispiele von invasiven Arten in diesem Buch, die beabsichtigt oder unbeabsichtigt vom Menschen in neue Lebensräume verfrachtet wurden. Bei einer neuen Besiedlung brachte er seine gewohnten Nutztiere und -pflanzen mit, und vielfach schleppte er auch ungebetene Gäste mit ein, die es sonst nie in neue Regionen geschafft hätten.
Heute stellt das Mehr-Werden solcher Arten eines der direktesten Probleme für manche einheimischen Arten dar. Denn vielfach nisten sich die Neuankömmlinge nicht nur in einer Ecke des Ökosystems
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