Biodiversität: Unsere wertvollste Ressource
Verlusts aus. Nicht nur ebnet er invasiven Arten den Weg in andere Weltregionen. Vor allem macht er es attraktiver, Exportgüter anzubauen. Eine aktuelle Studie zur Rolle des Handels bei dem Verlust an Arten zeigt dies exemplarisch. Manfred Lenzen und sein Team verbanden die Daten von 7000 Arten, die in der internationalen Roten Liste als bedroht aufgeführt sind, mit den Produktionsgebieten von 15 000 Verbrauchsgütern. Dabei wird erkennbar, wie stark der weltweite Handel über seinen Einfluss auf Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Fischerei viele Arten beeinträchtigt. Allein 139 Arten sind laut der Studie in Malaysia von der Ausbreitung der Landwirtschaft für den Welthandel betroffen. Aber auch die Verschmutzung spielt eine Rolle – in Chinasind 304 Arten davon betroffen. Lenzen macht eine interessante Rechnung auf: Demnach sind die USA für nahezu 1000 bedrohte Tierarten weltweit verantwortlich, Japan kommt auf über 700, Deutschland immerhin als Nummer drei auf ca. 300, die meisten davon außerhalb Deutschlands. Den höchsten „Netto-Export“ an bedrohten Arten weisen Indonesien, Madagaskar, Papua-Neuguinea und Malaysia auf, die zwischen 150 und 200 Arten durch ihre Exporte gefährden. Als Beispiele nennen die Autoren den indonesischen Tiger (Panthera tigris) oder den südlichen Serau (Capricornis sumatraensis) , eine Ziegenart der tropischen Gebirgsregionen.
Auch wenn diese Verbindung zwischen einzelnen Produkten und einzelnen Arten zunächst recht hypothetisch klingt, wird doch das Dilemma deutlich, in dem wir weltweit stecken. Die Bedrohung der Vielfalt und der Verlust an Ökosystemen findet lokal statt, wird aber mittlerweile durch so viele menschliche Bedürfnisse getrieben, dass es kaum möglich ist, die indirekten Treiber, die vom Streben nach Wohlstand, Sicherheit und Wohlbefinden sowohl unserer biologischen Bedürfnisse als auch unserer bewussten Entscheidungen motiviert sind, einzeln zu separieren und anzugehen. Das macht den Umgang mit ihnen nicht eben einfach, letztendlich müssen wir aber versuchen, dies mit unserem Wissen über die Natur und unserem Wissen über den Umgang mit ihr anzugehen. Wertschätzung auf die verschiedenste Art wird dabei eine zentrale Rolle spielen.
Dreiklang der Wertschätzung: bewusst machen, sichtbar machen, einfangen
Stellen Sie sich vor, es klingelt an der Tür. Sie öffnen, und vor Ihnen steht Mutter Natur, um Ihnen die Rechnung für Ihre jährliche Naturnutzung zu präsentieren. Posten wären unter anderemSonnenauf- und -untergang, Bewässerung Ihres Gartens, Bäume und Äpfel und der Ausblick und die gesunde Luft am Strand der Insel Juist beim letzten Urlaub. Ein aufgestelltes Regenfass und ein neu gepflanzter Baum ließen sich anrechnen auf ein neue Klimaanlage und deren Energieverbrauch. Aber allein die Sauerstoffrechnung wäre in jedem Falle ziemlich hoch.
Diese kleine Szene entstammt einem Werbefilm, der im Rahmen des TEEB-Projekts im Jahr 2010 entstand. Als ich mit vielen Kolleginnen und Kollegen an meinem Institut und in der ganzen Welt an der Studie arbeitete, kam immer wieder ein Bedenken auf: Wir können und dürfen nicht, wie Mutter Natur es sehr plakativ im erwähnten Film macht, auf alles aus der Natur einfach ein Preisschild kleben. Dann reduziert sich Natur zu einem Gut, das nur gehandelt und gegen anderes preislich aufgewogen werden kann. Ein Dodo würde dann vielleicht auch heute noch auf seinen Wert als Kalorienlieferant für ausgehungerte Seefahrer reduziert werden – oder auf eine unschätzbar wertvolle Ikone des Artenschutzes, für deren Überleben Millionen gespendet würden.
Aber genauso, wie ein heute wiederentdeckter Dodo unbezahlbar wäre, so ist auch das Erlebnis eines schönen Sonnenuntergangs, insbesondere wenn man ihn an Orten wie dem Grand Canyon oder auf einer Nordseeinsel erlebt, nur schwer in Dollar oder Euro zu bemessen. Trotzdem muss man sich im Klaren darüber sein, dass auch mit solchen immateriellen Werten Geld verdient wird und wir ihnen damit ohnehin einen monetären Wert beimessen. Auf der Insel Juist kann man sogar sagen, dass man dort einen Preis dafür hat: die Kosten für Anreise und Übernachtung – plus 3,20 Euro Kurtaxe pro Tag. Mit dieser Nutzungsgebühr wird die Infrastruktur der Insel erhalten, damit Besucher den Sonnenaufgang am Deich und den Sonnenuntergang am Strand überhaupt genießen können. Dafür wird auch der Müll vom Strand geräumt, den die Flut täglich antreibt, um das Erlebnis noch etwas zu
Weitere Kostenlose Bücher