Biodiversität: Unsere wertvollste Ressource
bedeuten können. Damit bleibt der Einfluss des nullten Sektors auf die Wirtschaft weithin unsichtbar. Fürjede Firma müssen wir Naturverbrauch und -nutzung in den Bilanzen sichtbar machen. Beim Treibhausgasausstoß ist man schon so weit – dort hat jede Firma heutzutage ihre CO 2 -Bilanz. Und jeder Deutsche kann seinen eigenen persönlichen Ausstoß an Treibhausgasen mit dem Klimarechner des Umweltbundesamtes berechnen. Unser durchschnittlicher Ausstoß in Deutschland beträgt derzeit pro Kopf elf Tonnen CO 2 -Äquivalente pro Jahr. Als verträgliche Quote für alle Menschen weltweit gelten 2,5 Tonnen. Etwa ein Viertel der elf Tonnen des Durchschnittsdeutschen machen jeweils Strom und Heizung bzw. unsere Mobilität aus, ein Drittel entfällt auf unseren Konsum. Jeder Teilwert für sich überschreitet also schon den gewünschten Wert von 2,5 Tonnen weltweit.
Nun wäre es schön, auch einen erweiterten „Naturrechner“ zu haben, der uns sagt, wie viel Natur eine Firma oder jeder Einzelne von uns verbraucht. Ein ungefähres, aber noch abstraktes Maß dafür ist der ökologische Fußabdruck, den der Worldwide Fund for Nature (WWF) jedes Jahr veröffentlicht. Dieser wird mit „globalen Hektar“ sichtbar gemacht, dem virtuellen Maß einer Fläche, die jeder Bürger für seine Bedürfnisse braucht. Demnach benötigte der durchschnittliche Deutsche im Jahr 2008 4,57 „globale Hektar“. Deutschland selbst gibt mit seiner Biokapazität pro Einwohner allerdings nur 1,95 „globale Hektar“ her. Wir leben also auf Kosten anderer Regionen, jeder von uns braucht 2,62 globale Hektar außerhalb Deutschlands, um seinen Bedarf an Natur zu decken. Solche Rechnungen sind sehr grob und abstrakt, auch wenn wir uns vielleicht noch vorstellen können, wie sich diese Hektar durch unseren Kaffee- und Teekonsum auf Flächen in Mittelamerika oder Asien virtuell übertragen lassen. Aber sie helfen uns, uns unseres Einflusses auf die Natur erst einmal bewusst zu werden.
Um solche Rechnungen für Firmen und auch Staaten nutzbar zu machen, müssen die Zahlen aber konkreter und messbar werden.Für Firmen bedeutet dies, ihren Naturverbrauch und ihre Abhängigkeit von Ökosystemen und ihren Leistungen zunächst überhaupt erst sichtbar zu machen. Dies dann in ihren Umweltbilanzen auszuweisen ist ein zweiter wichtiger Schritt, genauso wie es in Unternehmensbilanzen über Finanzkapital und Arbeitskräfte geschieht.
Mittlerweile gibt es zahlreiche Richtlinien und Ansätze, wie Firmen dies tun können, über die einfache Statistik von Wasserund Papierverbrauch und Ähnlichem hinaus. Der Sportartikelhersteller Puma hat vor Kurzem als einer der ersten größeren Konzerne hierzu eine Bilanz vorgelegt. So verursachen die Firmenaktivitäten laut eigenen Angaben Umweltschäden von 145 Millionen Euro pro Jahr. Berücksichtigt werden dabei alle Produktionsschritte, von der Erzeugung und Verarbeitung der Rohstoffe bis zum Verkauf. Der Großteil der Schäden wird bei den Zulieferern erzeugt. Vor allem die Rohstoffproduktion von Leder, Baumwolle und Kautschuk fällt dabei ins Gewicht. Die Zahlen sollen nun helfen, die Bilanz in den nächsten Jahren zu verbessern – das Argument ist einfach und konsequent. Es sollen damit Kosten gespart werden. Und nicht zuletzt geht es ums Image. Mehr und mehr Verbraucher achten gerade bei hochwertigen und teuren Marken wie Puma auf Umweltaspekte. Die Marktmacht umweltbewusster Käufer nimmt zu, und wäre es da nicht hilfreich, auf jedem Produkt eine verpflichtende Ökobilanz zu haben? Spätestens mit dieser Entwicklung ist das „Geschäftsrisiko Biodiversität“ – das Ignorieren des nullten Sektors in der Wirtschaft – im Denken einiger Firmen angekommen. Bei den Firmen, die schon länger darüber nachdenken, ist Biodiversität längst zu einem Teil des Business geworden. Sei es, dass, wie bei Puma, darüber nachgedacht wird, wie man durch geringeren Ressourcenverbrauch Kosten einsparen kann, oder dass man den Verbraucher und seine Bedenken gegenüber umweltunfreundlichen Produkten ernster nimmt. Auch die Marktchancen steigen.Viele umweltfreundliche Produkte, nicht nur aus der Landwirtschaft, verzeichnen deutlich höhere Steigerungsraten im Verkauf und teilweise auch höhere Gewinnmargen als konventionelle Produkte.
Wandel in der Wahrnehmung – mit unserer dualen Natur umgehen lernen
Der US-amerikanische Biologe Paul R. Ehrlich stellt in einem seiner Artikel zum Verlust der Biodiversität einen anschaulichen
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