Biodiversität: Unsere wertvollste Ressource
Vergleich an, was das Verhältnis des Menschen zu seiner Umwelt betrifft. Er schreibt, dass der Mensch, gemessen an der durchschnittlichen Lebenserwartung eines Säugetieres, in evolutionären Maßstäben noch recht jung ist. Die durchschnittliche Säugetierart überlebt etwa eine Million Jahre, bevor sie ausstirbt. Der Homo sapiens ist gerade mal 200 000 Jahre alt und damit evolutionär gesehen in seiner mittleren Jugendzeit. Man könnte auch sagen, wir sind ein Teenager und legen noch dessen typischen Eigenschaften an den Tag – mal etwas narzisstisch, mal verzogen, mal nachdenklich und frustriert und generell sehr egoistisch behandeln wir die Welt, die uns ernährt, und wir machen uns wenig Gedanken über die Konsequenzen. Dieses Bild passt zu dem von Wolfgang Haber beschriebenen Bild des dualen Wesens: zum einen des biologischen Wesens, das Natur für seine Grundbedürfnisse und sein Wohlbefinden nutzt; zum anderen des geistigen Wesens, das einerseits diese Nutzung aus Profitstreben und anderen Beweggründen überziehen, andererseits bewusst entscheiden kann, eine solche Übernutzung zu beenden oder zu vermeiden.
Ein aktuelles Beispiel mag diesen Zwiespalt verdeutlichen. In den vergangenen Jahren verstärkt sich die Diskussion darüber, ob in Europa und in Deutschland der Fleischkonsum zu hoch ist. Inzahlreichen Büchern wird der Vegetarismus propagiert. Die Argumente sind vielfältig und werden von unterschiedlichen Gruppen als Argumente gegen Fleischkonsum angeführt. Zum klassischen Argument des Tierschutzes, das Tieren ein Recht auf ein freies Leben zugesteht und die Zustände in der Massentierhaltung anprangert, kommen heute zunehmend auch Argumente des allgemeinen Umweltschutzes hinzu, vor allem des Klimaschutzes. Die Fleischproduktion verbraucht ein Vielfaches an Ressourcen, die man benötigt, um dieselbe Menge an Kalorien durch pflanzliche Nahrung zur Verfügung zu stellen. Der Klimaeffekt insbesondere von Wiederkäuern wie Rindern kommt noch dazu, weil sie zusätzlich große Mengen Methan ausstoßen. Methan ist ein 25-mal wirksameres Klimagas als CO 2 . Für viele sind das klare Gründe, sich bewusst gegen Fleischkonsum zu entscheiden.
Auf der anderen Seite bricht sich unsere biologische Seite Bahn mit dem Argument, dass der Mensch schon immer ein Allesfresser gewesen ist und tierische Nahrung zu seinem Wohlergehen beiträgt oder gar für seine Gesundheit essenziell ist. Es gibt einige Ernährungswissenschaftler und Mediziner, die argumentieren, dass die meisten Volkskrankheiten des Herz- und Kreislaufsystems, Übergewicht und Diabetes mit unseren Veranlagungen aus der Steinzeit zu tun haben. Unser Körper kann schlicht mit unserer modernen Ernährung und deren Schwerpunkt auf Getreide- und Milchprodukte noch nicht umgehen, man sollte sich bei der Ernährung auf das konzentrieren, was auch unsere Vorfahren als Jäger und Sammler zu sich nahmen: Wurzeln, Beeren, Nüsse – und eben Fleisch. Dies sei die einzig gesunde Ernährung – und vielleicht ein gutes Argument für Fleischkonsum. Wie finden wir uns in all diesen moralischen, umweltschutzbezogenen wie gesundheitsbezogenen Argumenten zurecht? Wie soll man sich als Einzelner oder als Gesellschaft entscheiden?
Neben der Gesundheit ist auch Sicherheit ein hohes Gut. Und an der Basis von allem steht Ernährungssicherheit – ein weiteres Thema, das in Zeiten steigender Lebensmittelgrundpreise und einer wachsenden Weltbevölkerung mit wachsender Intensität diskutiert wird. Sicherheit der Ernährung war lange Zeit die oberste Prämisse der europäischen Landwirtschaft. Die ersten Schritte zur heutigen landwirtschaftlichen Monotonie und Intensivierung waren von diesem Bestreben nach einer sicheren Versorgung mit Grundnahrungsmitteln getrieben – und dank Investitionen und Subventionen enorm erfolgreich, bis es in den 1980er-Jahren Milchseen, Butterberge und Getreidegebirge gab, die wiederum mit Subventionen abgetragen werden mussten. Die Monotonie dieser Massenproduktion würde uns heute längst nicht mehr schmecken. Wir haben inzwischen gelernt, eine neue Vielfalt daraus herzustellen und den Welthandel für uns nutzbar zu machen. Einst teure Produkte aus aller Welt wie Vanille, Kakao, Ananas oder Rooibos-Tee sind überall erhältlich und erschwinglich geworden.
Damit ist der Welthandel seit den Zeiten des Aussterbens des Dodos zu einem der zentralen Treiber für den Verlust der Biodiversität geworden. Er wirkt sich auf alle fünf Facetten des
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