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Biografie eines zufälligen Wunders - Roman

Biografie eines zufälligen Wunders - Roman

Titel: Biografie eines zufälligen Wunders - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Residenz
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einen guten Mann zu finden.
    »Ich habe keine Zeit für dich«, sagte die Ärztin, »hast du gesehen, wie viele Kinder mit Durchfall auf dem Gang warten?«
    »Olha Iwaniwna, bitte helfen Sie mir, ich werde wahnsinnig! Sie sind doch Ärztin!«
    »Albträume sind eine normale Stressreaktion der Psyche. Du wirst nicht wahnsinnig.«
    »Und wenn das ein Symptom ist?«
    »Du hast eine sehr kontrollierte Psyche. Du fürchtest dich davor, diese Kontrolle zu verlieren. Deshalb hast du Albträume. Dein Gehirn kann sich im Schlaf endlich losreißen und austoben.«
    »Olha Iwaniwna, Sie drücken sich irgendwie sehr kompliziert aus. Geben Sie mir einfach Tabletten!«
    »Ich kann dir nur etwas gegen Durchfall verschreiben.«
    »Ich habe keinen Durchfall.«
    »Siehst du? Dabei ist Durchfall ein viel häufigeres Symptom für Schizophrenie als unruhiger Schlaf.«
    »Meine Mitbewohnerin sitzt oft auf der Toilette. Sie wirft Diskus. Sie ist Sportlerin.«
    »Falsche Ernährung.«
    »Oder vielleicht ist sie schizophren und ich hab’s von ihr? Ist das ansteckend?«
    »Lena! Bei mir scheißen sich die Kinder im Flur an!«
    Lena erzählte Olha Iwaniwna, welche Arten von Menschen es ihrer Meinung nach gab. Sie dachte sich gern Klassifizierungen aus, damit die Welt um sie herum übersichtlicher wirkte.
    »Es gibt gute und böse, dumme und intelligente, zufriedene und unzufriedene, einsame und glückliche, subjektive Idealisten und objektive Rationalisten, Nationalisten und Kommunisten …«
    Olha Iwaniwna hörte etwa fünf Minuten lang zu und sagte dann:
    »Da muss ich dich enttäuschen, Lena. Es gibt nur zwei Arten von Menschen: die einen gehen jeden Tag normal aufs Klo und die anderen sterben eines Tages an Dickdarmkrebs.«
    Im System dieser Ärztin, sagte Lena später, war alles mit dem Phänomen Ausscheidungen verbunden, und in gewissem Sinne hatte Olha Iwaniwna zweifellos recht. Allerdings lebt der Mensch nicht nur, um zu essen und – Pardon – zu scheißen. Es muss da noch etwas Höheres geben. Und mein Ziel ist es, dieses Höhere zu finden, bevor mich die Finsternis samt allen meinen Dick-, Dünn- und Zwölffingerdärmen verschlingt.
    Im vierten Studienjahr überkam Lena der Verdacht, dass aus ihr nie etwas Großes rauskommen würde, wenn sie nicht dringend einen Kaiserschnitt machen ließ. Sie wollte weder Ruhm noch Erfolg, sie wollte einfach nur jemand sein, jemand Konkretes – nicht zu groß, aber auch nicht zu klein. Sie wollte etwas bewegen. Denn alles, womit Lena momentan rechnen konnte, war, bis ans Ende ihres Lebens an einer Schule Sport zu unterrichten. Und das wollte sie nicht. Zum einen hatte sie nicht viel für Kinder übrig und zum anderen hasste sie das Laufen. Und beides zusammen würde Lena schlicht zugrunde richten. Ihr wisst ja, wie es manchmal ist: Man hasst seinen Job, ist einsam, dann kommen Zigaretten, Alkohol, und schon ist man ganz unten. Nach fünf Jahren hat man ein Magengeschwür. Nach zehn: Brustkrebs. Das war’s dann. Der Mensch ist weg. Lena war dagegen noch nicht bereit, in andere Daseinsformen überzugehen.
    Sie fand Inspiration bei Olha Iwaniwna.
    Diese Frau wartete nicht, bis das Glück vom Himmel fiel, sie zwang es vom Himmel.
    Die Arbeit in der Poliklinik war für Olha Iwaniwna nur ein Deckmantel, um sich rechtmäßig Ärztin nennen zu können und an potenzielle Kunden heranzukommen. In Wirklichkeit betrieb Olha Iwaniwna Computerdiagnostik.
    Sie hatte ein winziges Behandlungszimmer in der Innenstadt von San Francisco. Dort stand ein großer Rechner, mit dessen Hilfe Olha Iwaniwna Menschen um viel Geld erleichterte.
    Niemand brachte den Ärzten Vertrauen entgegen, weil man längst über ihre gekauften Diplome Bescheid wusste. Computern vertraute man hingegen voll und ganz. Die Menschen können sich nicht vorstellen, wie diese einzigartige Maschine mit ihrem Gehirn aus Nullen und Einsen überhaupt funktioniert, und deshalb herrscht die Ansicht vor, der Computer sei allmächtig, verfüge über eigene Intelligenz, man glaubt, dass er reden, denken und sehen, ja sogar durch einen hindurchsehen kann. Der Computer weiß, wo dein Problem liegt. Er wird dich retten.
    Olha Iwaniwna fuhr mit der Maus den Patientenkörper entlang, der Rechner produzierte einen langen, alles durchdringenden Piepton, und sie rief aus:
    »Na, da haben wir es ja! Jetzt ist alles klar!«
    »Was ist klar?«, flüsterten die Patienten ängstlich. »Frau Doktor, was habe ich? Was sagt er?«
    »Sie haben

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