Biohacking - Gentechnik aus der Garage
Chelex-Deal auf. Und die 200-Euro-Bestellung, die die Apothekerin dann zufrieden weiterleitet, die geben wir auch auf.
Und auch wir sind zufrieden. Denn nun können wir endlich loslegen mit unseren Versuchen. Denken wir. Drei Tage später ist wieder die inzwischen vertraute Stimme am Telefon und fragt, ob wir noch einmal vorbeikommen könnten, um „etwas zu unterschreiben“. Ein paar Minuten später sind wir bei ihr und erkennen die inzwischen vertraute „Endverbleibserklärung“. Hanno unterschreibt und garantiert damit, dass das Produkt nicht mit der Absicht bezogen wird, Suchtstoffe herzustellen, nicht für militärische Zwecke benutzt wird, er es auch nicht an Dritte weitergibt oder Sprengstoff daraus herstellt. Adresse, Unterschrift, Abgleich mit dem Personalausweis, Anzahlung und endlich ist die Bestellung nun offiziell unterwegs. Esdauert noch einmal vier Tage, bis die braune Plastikflasche geliefert wird und wir wieder ein Teil von unserer Einkaufsliste streichen können.
Post vom Zollamt. Das Schreiben besagt, wir hätten ein Päckchen aus Amerika bekommen. Und das müsse verzollt werden. Es kann nur unsere Gel-Elektrophoresebox sein, die wir bei Tito Jankowski bestellt haben. Er war einer der Ersten, der billige Open-Source-Hardware für biologische Labore entwickelte, als Ersatz für teure Geräte von Markenherstellern. Er versorgt damit Bürgerforscher genauso wie Profis mit kleinem Materialbudget. Man kann die fertig montierte Box bei ihm bestellen, oder einen Bausatz, oder einfach Bauplan und Materialliste herunterladen und selber basteln. Wir haben uns für die komfortabelste Variante entschieden. Die fertige, etwa brotdosengroße Box muss schließlich wasserdicht sein, und keiner von uns ist sich sicher, ob er Plexiglas lückenlos zusammenkleben kann. Also die fertige Box samt Blaulichtlampe. Zum Glück akzeptiert Titos Webshop deutsche Kreditkarten.
Der Schrieb vom Amt weist uns an, dass wir eine „laienverständliche“ Beschreibung der Ware mitzubringen haben, außerdem einen Kaufbeleg, der den Wert ausweist, und einen Personalausweis. Uns ist ein wenig unwohl bei der Sache. Schon wieder bekommt unser Tun einen offiziellen Charakter. Und wer weiß, ob es für solche Dinge nicht vielleicht eine Einfuhrbeschränkung gibt? Was, wenn die Beamten das Plastikgebilde mit den Drähten und den blauen LEDs für etwas Gefährliches halten? Sollten wir vielleicht unsere Zahnbürsten gleich mit einpacken?
Wir machen uns mit grummelnden Bäuchen auf zu dem grauen Gebäude, das auch einer Spedition gehören könnte. Am Schalter wartet bereits eine Menschenschlange, wir müssen fast eine Viertelstunde warten, bis wir dran sind. Die freundliche Beamtin fragt:
„Was haben Sie da bekommen?“
„Eine Gel-Elektrophorese-Kammer, damit kann man Gene sichtbar machen.“
Die Beamtin, mit Stirn in Falten, aber hoffnungsvollem Ton: „Was für Computer, oder?“
Wir lassen die Gelegenheit, einfach zu nicken, verstreichen, undantworten stattdessen: „Nicht ganz, damit kann man zum Beispiel testen, was in Lebensmitteln drin ist.“
Ratlos klickt sie auf dem Bildschirm ihres Computers das eine und andere an, auf der Suche nach der richtigen Produktgruppe in ihrer Zollamts-Software. Gel-Elektrophorese oder auch nur eine Kategorie, in die unser Kasten hineinpassen könnte, gibt es da offensichtlich nicht. Ein Kollege kommt zu Hilfe:
„Ist es elektrisch?“
„Ja ... also ... es braucht Strom.“
Dann fällt sein Blick auf den Preis, die Augenbrauen gehen nach oben, und auf seiner Stirn lesen wir die Worte ,So ein Wirbel wegen 250 Euro‘. Gemeinsam starren die beiden Zöllner auf den Bildschirm. Durch die Menschenmenge hinter uns zieht sich ein Seufzen.
Nach weiteren fünf Minuten Klickerei, die nicht sehr zielstrebig wirkt, hat die uniformierte Dame dann offenbar doch einen Weg gefunden, das Ding zu verbuchen. In welche Kategorie sie unseren Import gesteckt hat, würden wir zwar gerne wissen („Sonstiges“ vielleicht?), halten uns aber wohlweislich mit Fragen zurück. Sie berechnet die Mehrwertsteuer, die wir an der Kasse zu entrichten haben. Wieder ein Häkchen auf der Einkaufsliste. Jetzt müssen wir Moleküle shoppen.
Der Bote schaut sichtlich irritiert. Normalerweise liefert er an Labors. Manchmal ist auch eine Arztpraxis auf seiner Transportliste. Aber Journalistenbüros? Das hat es noch nie gegeben. Wir versichern ihm, dass er hier richtig ist. Auf die Frage, was wir mit dem Inhalt des
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