Biokrieg - Bacigalupi, P: Biokrieg - The Windup Girl
starrt den Rikschafahrer ungläubig an. »Gehen die Weißhemden gegen ihn vor?«
»Nein. Das Handelsministerium. Ich habe gesehen, wie Akkarat persönlich die Verhaftung vorgenommen hat.«
Hock Seng runzelt die Stirn. »Das ergibt keinen Sinn.«
Lao Gu drückt ihm ein Flugblatt in die Hand. »Es ist wegen dieses Aufziehmädchens. Die er immer in seine Wohnung mitgenommen hat. Sie hat den Somdet Chaopraya umgebracht. «
Hock Seng überfliegt den Text auf dem Handzettel. Nickt, wie zu sich selbst. »Bist du sicher, was dieses Aufziehwesen angeht? Unser fremder Teufel hat mit einer Attentäterin zusammengearbeitet? «
»Ich weiß auch nicht mehr als das, was in den Flüsterblättern steht, aber so, wie sie hier beschrieben wird, handelt es sich hundertprozentig um die gleiche Heechy-Keechy. Er hat sie viele Male aus dem Club mit nach Hause genommen. Sie durfte sogar bei ihm übernachten.«
»Ist das ein Problem?«, fragt Lachender Chan.
»Nein.« Hock Seng schüttelt den Kopf und erlaubt sich ein Lächeln. Er geht zu seiner Matratze hinüber und zieht einen Schlüsselbund darunter hervor. »Eher eine Gelegenheit. Sogar eine bessere, als ich erwartet hatte.« Er wendet sich an die Umstehenden. »Wir müssen uns also doch nicht hier verkriechen.«
»Nein?«
Hock Seng lächelt. »Es gibt noch einen Ort, dem wir einen Besuch abstatten müssen, bevor wir die Stadt verlassen. Eine Sache müssen wir noch mitnehmen. Aus den Büroräumen, in denen ich gearbeitet habe. Nehmt alle Waffen mit.«
Immerhin, Lachender Chan stellt keine weiteren Fragen.
Stattdessen antwortet er mit einem Nicken, verstaut seine Pistolen im Halfter und wirft sich die Machete über die Schulter. Die anderen tun es ihm gleich. In einer Reihe zwängen sie sich aus der Tür. Hock Seng drückt sie als Letzter ins Schloss.
Im Laufschritt folgt er seinen Männern, und dabei klirren die Schlüssel der Fabrik in seiner Hand. Zum ersten Mal seit langer Zeit scheint ihm das Schicksal gewogen zu sein. Alles, was er jetzt noch braucht, ist ein wenig Glück und etwas mehr Zeit.
Weiter vorne hört er wütende Menschen, die etwas über die Weißhemden schreien und über den Tod des königlichen Beschützers. Wütende Stimmen, bereit für einen Aufstand. Das Unwetter braut sich immer mehr zusammen. Die Figuren im Spiel um die Macht sind aufgestellt. Ein kleines Mädchen huscht vorbei und drückt ihnen Flüsterblätter in die Hände, bevor sie weiterflitzt. Die Parteien sind also bereits aktiv geworden. Bald schon wird der Pate des Slums seine eigenen Leute in die kleinen Gässchen schicken, um die Gewalt weiter anzuheizen.
Hock Seng und seine Truppe lassen die engen Gassen hinter sich und laufen auf die Straße. Nichts bewegt sich. Sogar die unabhängigen Rikschafahrer sind abgetaucht. Eine Gruppe von Ladenbesitzern hockt um ein Handkurbelradio herum. Hock Seng bedeutet seinen Männern zu warten, dann tritt er zu der kleinen Gruppe hin. »Irgendwelche Neuigkeiten?«
Eine Frau blickt zu ihm auf. »National Radio sagt, der Beschützer …«
»Ja, das weiß ich bereits. Was sagen sie noch?«
»Minister Akkarat hat General Pracha beschuldigt.«
Die Dinge entwickeln sich schneller, als er erwartet hätte. Hock Seng richtet sich wieder auf und ruft Lachenden Chan und die anderen herbei. »Kommt schon. Uns läuft die Zeit davon, wir müssen uns beeilen.«
Noch während er ihnen das zuruft, biegt ein Lastwagen mit heulendem Motor um die Ecke. Er ist unfassbar laut. Die Abgaswolken, die ihm folgen, verbreiten so viel Rauch wie illegale Dungfeuer. Als er vorbeibraust, sind Dutzende von Soldaten zu erkennen, die mit finsterem Blick auf der Ladefläche stehen. Hock Seng und seine Männer drängen hustend zurück in die Gasse, aus der sie gekommen sind. Lachender Chan späht hinaus und blickt dem Laster nach. »Er läuft mit Kohlediesel«, bemerkt er erstaunt. »Das sind Armeetruppen.«
Hock Seng fragt sich, ob es loyale Einheiten des zwölften Dezembers sind – Truppen der Generäle aus dem Nordwesten des Landes, die General Pracha zu Hilfe eilen, um den Funkturm von National Radio einzunehmen. Oder aber Verbündete von Akkarat, die in die Stadt vorrücken, um Schleusen, Hafenanlagen und Ankerplätze zu besetzen. Es könnten auch opportunistische Kräfte sein, die einfach die Gunst der Stunde nutzen, um sich in dem Chaos einen Vorteil zu sichern. Hock Seng verliert sie aus dem Blick, als sie um die nächste Ecke abbiegen. So oder so handelt es sich um Vorboten
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