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Birne sucht Helene

Birne sucht Helene

Titel: Birne sucht Helene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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(Kartoffelpuffer).
    Und Kochen verlernte man schließlich nicht, das war wie Fahrradfahren.
    Paul parkte direkt vor dem kleinen Hexenhäuschen, das Oma Gerti ihr Reich nannte. Der Vorgarten war verwildert, der Jägerzaun in Unehren ergraut, und hinter dem Haus lag ein kleines Stück Land, auf dem Oma Gerti Kartoffeln, Salat, Rosenkohl, Petersilie, Karotten und alles, was sie halt so brauchte, anbaute. Nur ihre geliebten Dickmanns wuchsen dort nicht. Was sie sehr ärgerte, denn Oma Gerti ging nicht gerne einkaufen.
    Die Haustür stand wie immer offen, und Oma Gerti saß wie stets in der Küche und tat … nichts. Das konnte sie wie ein Weltmeister. Stundenlang. Ohne einzuschlafen! Ihre Katze Dicker lag neben ihren Füßen, die wie immer in Filzpantoffeln steckten. Der Linoleum-Fußboden wellte sich, und die ringsum schulterhoch gekachelten Delfter Kacheln waren längst nicht mehr alle an ihrem Platz. Viele Möbel standen nicht in der Küche. Ein alter, hölzerner Schrank, hinter dessen Glasscheiben noch weiße Vorhänge prangten, ein Gasherd und ein Küchentisch, auf dem eine altrosafarbene Plastikdecke mit Muster (Kaffemühlen, Röschen, Töpfe)lag. So hatte es hier bereits ausgesehen, als Paul seine Milchzähne bekommen hatte.
    »Jung«, wurde er beim Eintreten begrüßt. »Der Jung ist wieder da.« Die Stimme war mit der Zeit dünn geworden, die Worte kamen nur langsam und leicht zittrig heraus, doch es lag immer noch viel Wärme in ihnen.
    »Hallo, Oma Gerti.« Er gab ihr einen Kuss auf die Stirn. »Alles im Lot?«
    »Muss, Jung, muss. Ich will zufrieden sein.«
    Er setzte sich zu ihr und legte eine Hand auf die ihre. »Ich brauch deine Hilfe, Oma. Hab’s dir am Telefon ja schon erzählt. Ich muss Kochen lernen. Was Einfaches, das ich auch hinkriege, aber ich will damit ein Mädchen beeindrucken können. Ein Festessen wäre super.«
    »Hm?«
    »Ein Festessen !«
    »Jaja, muss nicht so brüllen. Ich hör noch ganz gut. Festessen, ja. Machen wir.« Sie lächelte selig.
    »Jetzt?«, fragte Paul.
    »Jaja, aber sicher. Ich hol die Kartoffeln.«
    Und Paul durfte diese mit der Gemüsebürste abschrubben. Dann ließ Oma Gerti ihn einen Topf mit Wasser aufstellen und Salz hineingeben.
    »Haste gut gemacht, Jung. Du kannst ja schon richtig kochen.«
    »Was jetzt, Oma? Sag’s mir, ich tu’s. Soll ich etwas Fleisch in die Pfanne hauen? Einen Salat machen? Musste nur sagen. Ich will ja lernen.«
    »Ein Festessen für deine Freundin, weiß ich doch. Als ich so alt war wie du, na ja, ein paar Jährchen jünger, aber das ist ja auch schon so lange her, da hat dein Opa das für mich gemacht. Hat sonst nie gekocht. Nur das eine Mal. Da war ich baff, das kann ich dir sagen. Da wusste ich, der isset.« Oma Gerti nickte lächelnd.
    Wow,heute würde also ein Familien-Liebes-Rezept an ihn weitergegeben werden! Opa hatte Oma damit für sich gewinnen können, und er würde es mit ihr genauso machen. Wer auch immer sie war.
    »Was hat Opa denn Raffiniertes für dich gezaubert.«
    »Sind die Kartoffeln schon gut? Stich mal mit der Gabel da rein.«
    Sie waren gut, die Gabel drang ohne Widerstand hindurch.
    »Jetzt verrat schon, was ich noch machen soll?«
    »Hm?«
    »Was ich noch kochen soll?«
    »Muss nicht so brüllen. Ich hör noch ganz gut.«
    Paul legte den Arm um Oma Gerti. Das mochte sie gern. »Ja?«
    »Ja.«
    »Nein, ich meinte: Ja, was soll ich denn jetzt machen?«
    »Zum Kühlschrank gehen, Jung. Oberste Etage, das weiße Ding.«
    Paul sprang geradezu zum eingebauten Frischhaltewunder. Er fand das weiße Ding auf Anhieb, denn ansonsten war die oberste Etage auch leer.
    »Der Sahnehering?«
    »Der Sahnehering.«
    »Und jetzt?«
    »Auf den Tisch stellen.«
    Paul meisterte auch diesen Teil des Kochvorgangs mit Bravour. »Und dann?«
    »Aufmachen. So hat das dein Großvater damals auch gemacht. Jaja. Pellkartoffeln mit Sahnehering. Kann es was Schöneres geben? Ich glaub nicht, Jung. Ist und bleibt das Beste. Und«, sie lehnte sich vor und zwinkerte Paul aufmunternd zu, »das können sogar Männer kochen!«
    Inden Tagen nach dem Pellkartoffel-Kochkurs-Desaster ackerte Paul den Stapel Kochmagazine durch, von deren Last er Ömers Zeitschriftenregale befreit hatte. Selbst in den Arbeitspausen. Die Kollegen auf der Zulassungsstelle beäugten ihn deswegen schon kritisch. Doch Paul machte sich nichts draus. Denn – wie die Freundin schrieb – moderne Männer kochten gern. Selbst David Beckham schwang zu Hause den Kochlöffel.

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