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Birne sucht Helene

Birne sucht Helene

Titel: Birne sucht Helene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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Manchmal. Wenn Kameras in der Nähe waren. Und er mit großen Messern und blutigem Fleisch hantieren durfte. Aber immerhin.
    Die Tage auf dem Amt flossen träge dahin wie alter Honig. Und die ewig gleichen Abläufe raubten Paul den letzten Nerv. Viel lieber wäre er wieder bei den Schafen gewesen. Allerdings ohne Andy.
    Eigentlich hätte Paul an diesem Donnerstag schon längst in die Pause gekonnt, doch es war so viel Andrang, dass er beschloss, noch einen Kunden dranzunehmen. Die Leute warteten alle schon ewig und standen kurz vor einer Revolte.
    Die Wartenummer E 678 war eine Ummeldung für einen gebrauchten Ford Ka, der vier Jahre alt und mit 95 PS ordentlich motorisiert war. Doch die Antragstellerin sah kreuzunglücklich aus. Sie war vielleicht Mitte zwanzig und hatte sehr blasse Haut, süße Sommersprossen und mittellange, blonde Haare. Es hätte Paul nicht gewundert, wenn sie komplett aus Porzellan bestanden hätte.
    Er fasste sich ein Herz.
    »Geht es Ihnen nicht gut?«
    »Heimweh.« Sie hatte einen äußerst reizenden Akzent.
»Von wo stammen Sie denn?«
    »Litauen.«
    Litauen? Da hatte er doch gestern etwas in der Essen & Trinken gelesen. Ein Land mit reichhaltiger kulinarischer Tradition. Und gegen Heimweh half nichts besser als heimische Küche!
    »EssenSie einfach einen Zeppelin, dann fühlen Sie sich gleich wie zu Hause.«
    Der Zeppelin war das Nationalgericht der Litauer. Eine Art Knödel mit einer Füllung aus Fleisch und Räucherspeck. In manchen Regionen des Landes wurde dazu eine Sauce aus saurer Sahne und Pilzen gereicht. Weiter hatte Paul nicht gelesen, denn das klang viel zu schwer und rustikal für ein Abendessen, das die Sinne betören sollte.
    Die Antragstellerin, Dalia Paulauskas – wie ihr Personalausweis kundgab –, sprang auf. Ihre Augen strahlten plötzlich wie die Sonne am Nordpol.
    »Sie kennen Zeppelin? Sie können Zeppelin kochen?«
    Nun ja, nein, das konnte er nicht. Aber schwer würde das sicher nicht sein. Knödel waren ungefähr so raffiniert wie Stampfkartoffeln. Vielleicht beruhigte es Dalia Paulauskas, wenn sie wusste, dass auch fern der Heimat ihre kulinarischen Traditionen gepflegt wurden.
    »Ja, aber sicher. Ein großartiges Gericht.«
    Dalia Paulauskas atmete schwer, ihre Augen musterten Paul von oben bis unten, bis sie einen Entschluss gefasst hatte. »Könnten Sie Zeppelin für mich kochen? Wie zu Hause? Ich kann nämlich nicht kochen. Zwei linke Hände.« Sie zeigte Paul ihre wohlgeformten, langgliedrigen Klavierspielerinnenhände. »Bitte!«
    Aber wir kennen uns doch gar nicht, wollte Paul antworten. Doch dann sah er, wie sie nervös auf ihrer Unterlippe kaute und ihn anstarrte, als wäre er der Weihnachtsmann und würde gleich ein feuerrotes Fahrrad aus dem Sack holen.
    »Warum eigentlich nicht? Wir Rheinländer sind ja bekannt für unsere Gastfreundschaft. Wann hätten Sie denn Zeit?«
    »Heute Abend?«, platzte Dalia Paulauskas heraus. »Und machen Sie auch Schwilpikaj. Ich liebe Schwilpikaj!«
    KeineAhnung, was das war. Aber egal, worum es sich handelte, er musste es nur nachschlagen.
    »Morgen vielleicht?«
    »Ja, morgen. Ich freu mich so sehr.« Sie lehnte sich über den Schreibtisch und drückte ihm einen Kuss auf die Lippen. Ein Prickeln lief Pauls Wirbelsäule herunter. Und wieder herauf. Und noch einmal herunter.
    Als er endlich zur Mittagspause aus der Zulassungsstelle trat, hatte er ein Date – und allerbeste Laune. Paul war geradezu euphorisch, als hätte er einen irren Drogencocktail eingeworfen. Jetzt konnte er Bäume ausreißen! Er wollte am liebsten die ganze Welt umarmen. Und alle Frauen auch.
    Eli konnte es nicht fassen. Da kam der Zulassungsstellen-Typ doch tatsächlich gerade aus der Tür! Das musste Schicksal sein. Die Götter halfen der Liebesbotin des armen Löschi! Eli ging schnurstracks auf ihn zu.
    »Wow, das ist ja ein Glück. Ich wollte gerade zu Ihnen. Können wir vielleicht du sagen, das ist irgendwie komisch sonst. Ich muss ja auch über was Persönliches reden. Ich bin die Eli. Kurz für Elisabeth. Na ja, aber das wissen Sie sicher, Sie kennen ja meine Papiere. Blödsinn, Sie treffen ja so viele Leute, wahrscheinlich erinnern Sie sich, also erinnerst du dich – wenn das für dich okay ist – gar nicht an mich.«
    Meine Güte, warum plapperte sie plötzlich so? Schlimmer als eine Wasserflasche unter Hochdruck, die man gerade aufgedreht hatte. Und warum war sie so nervös? Sie machte doch nur ein Date für Löschi aus.
    »Ich

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