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Birne sucht Helene

Birne sucht Helene

Titel: Birne sucht Helene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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für sie Gerichte aus ihrer Heimat.«
    »Verstehe.« Er trat abermals ans Treppengeländer. »Herr Thomassen! Der richtige Wein zu litauischem Essen?«
    Diesmal dauerte das Warten noch länger.
    »Hm.« Herr Thomassen konnte ein »Hm« rufen, ein bemerkenswerter Stimmkünstler.
    Paul nutzte die Pause, um nochmals über das Essen nachzudenken. Er hatte alle Zutaten im Internet gegoogelt, damit er gleich alles einkaufen konnte. Immer wieder lief ihr Name wie eine Neonreklame durch seinen Kopf: Dalia Paulauskas. Doch im Hintergrund hing ein riesiges Plakat, auf dem Eli Spatzner stand. Paul linste immer wieder hin.
    Herr Thomassen meldete sich wieder – der Weinhändler aus der Dunkelheit.
    »Die Nachbarstaaten produzieren auch nichts Ordentliches, aber Litauen ist nur durch das Meer von Dänemark getrennt, und in Dänemark betreut der Winzer von Schloss Sommerhausen ein Weingut, und von dem führen wir Wein. Der Silvaner passt gut zur litauischen Küche.«
    Der oberirdische Weinhändler lehnte sich vor. »Das ist ein säurearmerWeißer«, erklärte er. » 86 Punkte bei Eichelmann, 85 beim Gault Millau. Superpreis.«
    »Ich nehme lieber gleich ein paar verschiedene Weine von diesem Winzer. Dann kann Dalia selber auswählen, was ihr schmeckt.«
    »Sie überlassen aber nichts dem Zufall. Guter Mann!«
    Das ging auch nicht, dachte Paul, denn viel zu selten brachte der Zufall Erfreuliches. Meistens nur aus dem Nichts auftauchende Schlaglöcher bei den Fahrten ins Bergische oder Zwiebeln auf der Thunfischpizza, obwohl er doch extra ohne bestellt hatte. Zufälle konnten gerne anderen widerfahren.
    Schließlich kaufte er drei Flaschen Wein – weiß, rot, rosé – und der Händler schenkte ihm einen Sekt dazu. »Geht auf’s Haus. Begrüßen Sie Ihre Dalia gleich mit einem Gläschen davon. Das hebt die Stimmung.«
    »So hat er seine Frau rumgekriegt!«, rief Herr Thomassen aus dem Keller.
    »Ach was, Blödsinn. Rumgekriegt hab ich sie mit meinen Tanzkünsten.«
    Paul wusste nicht, was er dazu sagen sollte, und deswegen ließ er es einfach bleiben.
    »Daug laim·es!«, rief Herr Thomassen zum Abschied. »Das ist Litauisch und heißt ›Viel Glück!‹.«
    Verdammt, Litauisch! Er musste unbedingt noch ein paar Worte der Sprache lernen, bevor sie kam!
    Hoffentlich würde die Zeit für alles reichen.
    Die Neonreklame mit Dalia Paulauskas Namen flackerte nervös auf.
    Am nächsten Abend war nichts mehr von Pauls Euphorie übrig. Sie war unter dem Gewicht von Kartoffeln, Räucherspeck und Roggenbrot erdrückt worden.
    SollteKing Kong jemals kochen lernen, käme für ihn nur die litauische Küche in Frage. Denn für diese brauchte man Affenpranken in der Größe von Schulbussen. Unter anderem, um Kartoffeln durch ein Leinentuch auszudrücken. Welcher mental eingeschränkte Koch war auf die bekloppte Idee gekommen, Kartoffeln auszudrücken? Waren das die Orangen des Baltikums?
    Kartoffeln schälte man. Und selbst das war schon im Räuber Hotzenplotz ein Job gewesen, den keiner wollte. Dabei musste damals keiner die Knollen durch ein Leinentuch ausdrücken und den Saft sammeln. Den Kartoffelsaft. Dachten Litauer wirklich: »Hm, und jetzt ein Glas frisch gepresste Kartoffeln zum Frühstück!«? Erst nach etlichen Anläufen bewältigte Paul die Aufgabe, formte Fladen aus der entsafteten Mischung roher und gekochter Kartoffeln, gab jeweils einen Esslöffel Fleischmatsch hinein, faltete alles in Längsrichtung zusammen, drückte die Ränder gut an und formte auf diese Weise längliche Klöße, die mit viel gutem Willen wie Zeppeline aussahen. Allerdings wie Zeppeline nach einem Totalcrash. À la Hindenburg, sozusagen.
    Der Fleischmatsch, welcher den unaussprechlichen litauischen Namen »Jautienos ar Kiaulienos« trug, war dagegen ein Kinderspiel gewesen. Wobei das Rezept leider zu ungenau bei den Garzeiten war. Dort stand zum Beispiel »Zwiebeln anbraten«. Ohne Zeitangabe. Wie lange mussten sie in der Pfanne brutzeln? Doch sicher, bis sie schön kross waren, also dunkel, um nicht zu sagen beinahe schwarz. Alles andere wäre ja nur erwärmt und nicht angebraten.
    Und dann die Mengenangaben! Pfeffern und salzen. Kein Wort davon, wie viel. Mit Salz musste man vorsichtig sein, das wusste Paul. Schließlich existierte in der deutschen Sprache auch das Wort »versalzen«. Verpfeffern gab es dagegen nicht.
    Dementsprechend würzte Paul.
    Drei Körner Salz. Eine gute Handvoll Pfeffer.
    Nachgetaner Arbeit war Paul verdammt stolz auf sich.

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