Birne sucht Helene
Richtung. »Hier die Vorspeise von der Ersatzbank.«
Dalia legte ihre Hand auf Pauls. »Das war eh nie mein Lieblingsgericht. Dafür esse ich jetzt mehr Zeppeline!« Sie rieb ihren flachen Bauch. »Bis ich aussehe wie meine Bobut·e Akvile.« Sie plusterte die Wangen auf und lachte. »Eigentlich reden wir Litauer nicht viel beim Essen. Aber heute bin ich mal unanständig.«
Sie war heute unanständig! Pauls Nackenhaare schossen dermaßen schnell in die Höhe, dass man es zischen hörte.
Das Eis war endgültig gebrochen, und sie begannen, sich richtig gutzu unterhalten. Es stellte sich heraus, dass Dalia zwei Auslandssemester Germanistik in Köln belegte, dass sie die deutsche Kultur liebte, vor allem Goethe, dessen Namen sie auf zauberhafte Weise falsch aussprach. Sie war erst vor zwei Wochen angekommen und immer noch auf der Suche nach einer WG – von der Kölner Gastfreundschaft hatte sie bisher nichts mitbekommen. Stattdessen: gestresste Uni-Mitarbeiter, unverschämte Vermieter und genervte Straßenbahnfahrer. Viva Colonia! Paul war ihr erster Lichtblick.
Und dieser Lichtblick servierte nun den extra für sie ausgewählten Wein, wobei er von den Geschehnissen in der Weinhandlung berichtete.
Doch Dalia lehnte dankend ab. »Jetzt hast du dir so viele Gedanken gemacht – aber wir Litauer sind keine Weintrinker, wir sind ein Volk von Biertrinkern.«
»Und wir Kölner sind keine Biertrinker«, sagte Paul. »Wir sind ein Volk von Kölsch trinkern!«
Die Laune war prima – bis Paul den Hauptgang servierte.
Diesmal aß Dalia, doch nicht viel, und sie sagte gar nichts.
»Ich hoffe, du stammst nicht aus Shemaitija?« Paul brach sich fast die Zunge bei der Aussprache der litauischen Region. »Denn sonst hätte ich dir Sauce mit Pilzen kochen müssen.«
»Nein, keine Sorge, ich komme aus Klaip·eda, wo wir die Zeppeline mit Fischfüllung zubereiten.«
Mist! Das war so, als würde er einem Hamburger Schweinshaxe mit Knödel vorsetzen – damit er sich richtig zu Hause fühlte. Dalia lehnte sich vor, wodurch ihr Dekolleté noch mehr preisgab. »Welchen Fisch hast du genommen?«
Schweine- und Rinder fisch , dachte Paul. Seine Fleischfüllung schmeckte also nach Fisch. Das sollte Fleisch, soweit er wusste, nicht tun. Vielleicht hätte er doch nicht das Hack aus dem Sonderangebot nehmen sollen.
Immerhinschien Dalia der Salat halbwegs zu schmecken. Salat war wunderbar zuzubereiten. Es gab tatsächlich fertige Mischungen – und fertige Saucen! Leider hatte auf keiner gestanden, dass man nicht alles schon zu Beginn des Kochens zusammenschütten sollte. Nach zwei Stunden sah nämlich jeder noch so knackige Salat aus, als hätte ein Hund darauf ein Nickerchen gemacht. In Pauls Kompostschüssel hatte sich allem Anschein nach ein Berner Sennenhund gewälzt.
Pauls letzte Rettung hieß Zhalgiris. Der 75 % ige Nationallikör der Litauer. Er konnte sich in Sekundenbruchteilen durch untrainierte Magenwände fressen, führte zur spontanen Selbstentzündung oder ließ einen – wenn alles glimpflich verlief – nur erblinden.
Aber der Zhalgiris hatte auch gute Eigenschaften. So ging er problemlos als Spritersatz für russische Panzer durch.
Dalias Miene hellte sich auf, als sie die Flasche sah.
»Den brauche ich jetzt. Gleich einen doppelten.«
Auch Paul nahm einen – und wünschte sich danach ein Feuerlöscher stände bereit. Er rannte in die Küche und hielt seinen Mund unter den laufenden Wasserhahn.
»Ich mach uns jetzt den Nachtisch. Schwarzbrot und Honigquark – meine Spezialität.«
Dalia stand auf und kam zu ihm, dann blickte sie ihm ernst in die Augen.
»Du kannst gar nicht kochen, oder? Das ist das schrecklichste Essen, das ich jemals hatte. Ich verzichte lieber auf den Nachtisch.« Dalias Blick fiel auf den Berg schmutzigen Geschirrs auf dem Boden. Sie hielt sich die Hände vor lauter Schrecken vor den Mund. »Oh, mein Gott. Das ist ja grauenhaft.«
Der 75 % ige Zhalgiris schaffte es endlich, Pauls Alkoholpegel über die magische Grenze zu heben. Er war nun zu Komplimenten fähig.
»Dusiehst heute übrigens sehr grazˇus aus. Also, du siehst wahrscheinlich, oder sogar bestimmt, immer sehr grazˇus aus, aber heute besonders. Finde ich.« Komplimente machen war unangenehm, peinlich, und es konnte schreckliche Konsequenzen nach sich ziehen. Trotzdem kam man nicht drum herum.
»Du hast dir wirklich viel Mühe für mich gegeben.«
Paul hörte schon das »Aber«, bevor sie es aussprach. Aber … du
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