Birne sucht Helene
Nimmersatt.
Deshalb schlich sie nun zurück zum Computer, legte die Taschenlampe neben sich – und bemerkte erst viel zu spät, wie diese herunterfiel. Gott sei Dank auf den dicken Flokati! Als Eli sich bückte, um sie wieder aufzuheben, erkannte sie aus den Augenwinkeln etwas breites Rotes, verborgen unter dem mattgebürstetenAktenschränkchen des Schreibtisches. Vielleicht besaß er ja doch ein Buch? Eins, das ihm so viel bedeutete, dass er es versteckte? Es stellte sich als Fotoalbum heraus, wie man es in Fachgeschäften bekam. Braunes Kunstleder mit dickem Einband, zwischen den Seiten Seidenpapier. Mit Klebe-Ecken hatte Roman Schnappschüsse gesammelt. Von Frauen. Unterteilt in Kapitel. Mit Namen. Juliane. Verena. Nicola. Imke. Tina. Levke. Und noch ein paar mehr. Einige hatten rote Haare wie sie, andere Korkenzieherlocken, fast alle waren so zierlich wie Eli. Auf vielen Fotos war Roman gemeinsam mit ihnen abgebildet. Wie er sie im Arm hielt, sie küsste, mit ihnen Boot fuhr, und von jeder Einzelnen gab es eines mit ihm in einem italienischen Restaurant. Auf dem Tisch standen immer Kerzen und eine langstielige rote Rose in der Vase.
Sie sahen alle unglaublich glücklich aus.
Eli konnte es in den Augen der Frauen lesen. Sie blätterte schnell von einer zur nächsten. Roman hatte sogar immer dasselbe an.
Genau dasselbe wie am gestrigen Abend mit ihr.
Nach dem Kapitel einer Frau namens Judy kam eine leere Seite und dann eine neue Überschrift: Eli.
Plötzlich zuckte sie zusammen.
Roman stand neben ihr.
Birne sucht Helene. Beamter, 29 J./ 1 , 78 , interessant, lebendig, lernfähig, kann kochen (aber keine Soufflés, und nicht litauisch) und Wein einkaufen (weiß wie rot), sucht eine Frau, die ihren Traummann noch nicht gefunden hat, und gerne auch bis zum Morgen bleibt (Frühstück im Bett inkl.). Aber nicht nur einen Morgen – sondern alle (Frühstück im Bett nur am Wochenende inkl. – aber immerhin, oder?) 965938 Chiffredienst, 50590 Köln. -Chiffre 0900 / 5000958 - 78591 .
FÜNFTERGANG
Blutorangen-Tarte (zum Mitnehmen)
Andy war so aufgeregt, als dürfte er Metallica backstage treffen. Vor ihm lag eine fremde, exotische Welt. Er konnte sich nicht daran erinnern, jemals zuvor eine Buchhandlung betreten zu haben. Es würde schon alles gutgehen.
Andy holte noch einmal tief Luft.
Er hatte im Copyshop extra früher Schluss gemacht, um diesen Geheimauftrag übernehmen zu können. Entschlossen öffnete er die Glastür und trat von der Kälte des Neumarkts in die abgestandene Wärme der Eselsohr-Buchhandlung.
Jetzt hieß es, Eli Spatzner ausfindig machen, sie beobachten und falls möglich befragen. Alles unauffällig und ohne seinen liebeskranken Auftraggeber Paolo, genannt Paul, Birnbaum preiszugeben. Es wäre verheerend, wenn diese Eli erfuhr, dass der Schalterbeamte von der KFZ -Zulassungsstelle ihr nachspionieren ließ.
Bei »Raumschiff Enterprise« hatte Andy mal ein Suchmuster mit Long Range Scanner gesehen. Allerdings ging es da bloß um einen romulanischen Warbird im Delta-Quadranten, jetzt dagegen um die U.S.S. Eli im Buch-Universum. Das war deutlich schwieriger.
Er begann im Kellergeschoss und drehte auf jeder Etage eine Runde. Doch als er oben ankam, hatte er sie noch nicht ausmachen können.
Vielleicht schob sie heute keinen Dienst? Oder das Zielobjekt bewegte sich! Er musste seine Runden also schneller drehen. Zehn Minuten später stand er schwitzend im Keller der riesigen Buchhandlung.
Mist. Immer noch keine Eli.
Dafürhatten ihn gut ein Dutzend Buchhändlerinnen angesprochen, angelächelt oder ihm freundlich zugenickt. Beinah hätte er aus lauter Verlegenheit ein Buch über Die bauliche Nutzung Vulkangesteins in der Eifeler Ur- und Frühgeschichte gekauft.
Jetzt fixierte ihn ein Verkäufer. Der Bursche blickte ihn ganz unverhohlen an und kam sogar näher. Er sah aus wie einem H&M -Plakat entsprungen. Roman Holz stand auf seinem Namensschild.
Andy fand ihn auf Anhieb super. Super unsympathisch.
»Kann ich Ihnen vielleicht behilflich sein?«
»Nee, ich find mich schon zurecht.«
»Was suchen Sie denn?«
»Ein … Buch!«, antwortete Andy, stolz, dass ihm dieser geniale Einfall gekommen war.
»Aha.«
»Aber ich glaube, ich finde es auf einer anderen Etage.«
»Welcher denn?«
»Der dritten«, sagte Andy und war weg. Die dritte Etage gab es tatsächlich und dort auch ein kleines Café. Er beschloss, eine heiße Schokolade mit Sahne zu bestellen und hier Ausschau nach Eli zu
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