Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Birne sucht Helene

Birne sucht Helene

Titel: Birne sucht Helene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
Vom Netzwerk:
schob ihn mit sanftem Druck in einen anderen Gang. »Sie sehen ja, dass die Frau Spatzner grad was ganz Wichtiges zu tun hat.« Er zwinkerte ihm verschwörerisch zu. Sein Namensschild wies ihn als Alexander Löschmeyer aus. Aha, das war also dieser Löschi. Vom anderen Ufer. Warmer Strandabschnitt.
    »Sie riechen übrigens streng.«
    »Ist das gut?« Andy schnüffelte an seinen Achseln. Roch wie immer.
    »Für manche schon – aber ich mag das nicht so. Körperbehaarung ja, Stinken nein.«
    »Ich würde mich wirklich lieber von Frau Spatzner beraten lassen.«
    »Aber das geht jetzt leider nicht«, sagte Löschi. »Es tut mir übrigens weh, so von Ihnen abgelehnt zu werden. Für Sie bin ich nur ein kleiner, dummer Buchhändler, oder? Ist ein Buchhändler kein richtiger Mensch? Hat nicht ein Buchhändler Augen? Hat nicht ein Buchhändler Hände, Gliedmaßen, Werkzeuge, Sinne, Neigungen, Leidenschaften? Mit derselben Speise genährt, mit denselben Waffen verletzt, denselben Krankheiten unterworfen, mit denselben Mitteln geheilt, gewärmt und gekältet von eben dem Winter und Sommer als ein Christ? Wenn ihr uns stecht, bluten wir nicht? Wenn ihr uns kitzelt, lachen wir nicht? Wenn ihr uns vergiftet, sterben wir nicht?«
    »Wie bitte?«
    »Das war Shakespeare, der Shylock. Gut, was?«
    »Hatmich gerade echt getroffen.«
    »Ich mach mit bei so einer Theatergruppe: Die Bühne Maja . Ganz verrückte Hühner sind da mit dabei.«
    »Ich würde trotzdem lieber von Frau …«
    Löschi hob den Finger. »Neeeinn! Der gute Löschi wird Sie beraten, wie Sie noch nie in Ihrem Leben beraten wurden. Und die arme Eli lassen wir mal schön allein.«
    »Aber …«
    »Pscht!«
    »A …«
    Löschi hob wieder mahnend den Finger.
    Okay, Auftrag gescheitert. Er würde Paul ein paar Lügen auftischen müssen. Das bekam er sicher hin.
    Löschi hüstelte. »Also, welches Buch darf es sein?«
    Andy hatte keine Ahnung, was für ein Buch er suchte. Soweit hatte er seinen Plan nicht ausgearbeitet.
    »Was zu Körperhygiene?«
    »Guter Mann!«
    Auf den Weinbergen des Ahrtals reiften noch keine roten Trauben, und ein kalter Wind zog von den Hängen. Doch Paul war unendlich glücklich, hier zu sein. Er hatte den letzten Platz beim Kochkurs von Sternekoch Julius Eichendorff ergattert! Und jetzt stand er vor dem Restaurant des Maestros und würde gleich die Weihen der Spitzenküche erhalten.
    Heppingen war eigentlich ein Dorf und das Restaurant von außen eher unscheinbar. Nur der Eingang verströmte mit mattem Metall und viel Glas die Aura des Besonderen. Paul tastete in seiner Jackentasche nach der Anmeldung, alles bestens. Doch mit einem Mal wurde er unruhig. Vielleicht war das alles ein großer Fehler. Drinnen wartete ein Spitzenkoch. Und er selbst konnte kaum einen Kochlöffel gerade halten. Vielleicht sollte er lieber nachHause gehen und sich den Briefen widmen. Paul war immer noch verwundert, wie viele Zuschriften er auf die neueste Kontaktanzeige erhalten hatte.
    Sie waren alle noch ungeöffnet.
    Irgendwie fühlte es sich nicht richtig an, sie zu lesen. So als würde er Eli irgendwie untreu werden. War natürlich Blödsinn, hatte Andy auch mehr als deutlich und mehr als einmal gesagt. Und trotzdem. Paul hatte eine Schleife um die Briefe gemacht und sie auf die Schlüsselablage im Flur gelegt.
    »Sind Sie Herr Birnbaum?« Ein Mann wie ein Mittelgebirge stand in der Tür.
    Paul nickte zögerlich.
    »Dann kommen Sie rein, die Schürze wartet schon sehnsüchtig auf Sie!«
    Der berühmte Julius Eichendorff persönlich bat ihn herein. In der Küche drückte ihm dann ein Mann mit Zwirbelbart und schwarzer Kellnermontur ein Glas Brause in die Hand. Vermutlich Champagner. Die anderen fünf Kursteilnehmer hatten ihre Gläser schon fast ausgetrunken und betrachteten interessiert den Neuankömmling.
    Beim Essen mochten die Zutaten wichtig sein, bei einem Kochkurs, das merkte Paul sofort, waren es die Teilnehmer. Folgende wurden an diesem Tag zusammengeworfen:
    – Rolf: Er sah aus wie ein »Tagesschau«-Sprecher aus der guten alten Zeit und trug eine gepunktete Fliege. Rolf hielt sich für unglaublich klug, weswegen er ständig unglaublich kluge Sachen fragte. Und wenn es nichts zu fragen gab, fachsimpelte er über Wein.
    – Julie & Tristan: ein frisch verliebtes Paar. Schnäbelten dauernd aneinander herum. Mit anderen Worten: zum Kotzen.
    – Charly:eigentlich Karl-Heinz. Ein Mann im Muskelshirt. Er trug dazu die passenden Muskeln. Und polierte Glatze.

Weitere Kostenlose Bücher